Die Geseker Schützenbruderschaft in der Geseker Zeitung
„Alte Zeitungsartikel neu erzählt“
von: Jan Eiserich
Über einen Zeitungsartikel der Geseke Zeitung vom 11. Juli 1896
In diesem Teil der Serie „Alte Zeitungsartikel neu erzählt“, soll es um das Jahr 1896 gehen. Es lässt sich neben der Festbeschreibung des Schützenfestes noch ein zweiter, sehr interessanter, Artikel finden. Dieser ist am 11.07.1896 in der Geseker Zeitung erschienen. Der Artikel liefert einen kurzen historischen Rückblick auf eine Zeitspanne von 300 Jahren. Begründet wird diese Zeitspanne mit dem Entstehungszeitraum des ersten, zu der Zeit noch erhaltenen, Protokollbuches der Bruderschaft. Es stammt aus dem Jahr 1596. Auch wenn der Artikel recht kurz erscheint, so stecken doch vielschichtige historische Begebenheiten aus der Geseker Stadtgeschichte hinter ihm.
Der Artikel beginnt mit der ersten Erwähnung der Bruderschaft aus dem Jahre 1412, diese Erwähnung über die Stiftung „eines Lichtes“ findet sich wiederum in den Beiträgen zur Geseker Geschichte aus dem Jahr 1868 von Dechant Kampschulte. Der Autor des Zeitungsartikels weist darauf hin, dass Kampschulte keine nähere Quellenangabe zu der Stiftungsschrift anführt. Diese Stiftungsschrift gilt bis heute als erste urkundliche Erwähnung unserer Bruderschaft. Sie wird im Zeitungsartikel wie folgt zitiert: „Die Fraternität bestand als“ „broderschap sunte Fabian und Sebastian“ bei der Stadtpfarrkirche und wurde ihr als Besizthum ein Garten vermacht, „an dat lecht sunte Sebastian in der kerken sunte Peters, dat den schutten tobehored““. Richtigerweise stellt der Autor fest, dass damit nicht nur der Beweis für die Existenz der Bruderschaft für das Jahr 1412 erbracht wurde, sondern, dass auch davon auszugehen ist, dass die Bruderschaft schon weitaus früher ihren Ursprung hat.
Weiter führt der Autor aus, dass aus dem 15. und 16. Jahrhundert leider keine Urkunden überliefert sind. Begründet wird dies mit der Plünderung und Verwüstung der Stadt im Jahre 1591 durch Graf Oberstein in den ersten Januarwochen des Jahres. Oberstein gehörte zum protestantischen Lager der Niederlande, die im sogenannten „Truchsessischen Krieg“ 1583-1588 an der Seite des zum protestantischen Glauben konvertierten ehemaligen Erzbischof von Köln Gebhard Truchsess von Waldburg standen. Dieser wollte das Erzbistum zu einem weltlichen Fürstentum umwandeln. Allerdings war das ein klarer Verstoß gegen den „Reservatum ecclesiasticum“, also den geistlichen Vorbehalt des „Augsburger Religionsfrieden“ von 1555. Dieser besagte, dass ein katholischer geistlicher Territorialherr bei einem Konfessionswechsel auch seinen weltlichen Herrschaftsanspruch abgeben müsse.
Am 16.März 1583 wurde er von Kaiser Rudolf II. zum Rücktritt aufgerufen. Am 16.April des Jahres wurde er von Papst Gregor XIII exkommuniziert. Das Domkapitel sollte daraufhin einen neuen Erzbischof wählen. Die Wahl fiel auf Ernst von Wittelsbach, den Bruder des Herzogs von Bayern. Die Weigerung Rudolfs sein Amt aufzugeben, führte zum Krieg. Als Nachfolger für Gebhard Truchsess von Waldburg wurde der heute noch durch einen Straßennamen in Geseke bekannte Ernst von Bayern durch das Domkapitel gewählt.
Geseke spielte während dieser Zeit eine besonders interessante Rolle, da ein großer Teil der Geseker „Eliten“, Unterstützer Gebhard Truchsess von Waldburgs waren. Die Reformatorische Lehre war in Geseke sehr weit verbreitet, sodass sie sogar als „beherrschende Kraft“ gesehen werden konnte. Die eben angesprochenen „Eliten“ trugen auch zur Konzeption der sogenannten „Freistellungs Politik“ die eine freie Wahl der Konfession beinhaltete, bei.
Der Krieg verlief für Gebhard Truchsess von Waldburg allerdings dramatisch, sodass er sich bereits 1584 in die protestantischen Niederlande zurückziehen musste, um von dort die Auseinandersetzung weiter zu leiten. Daraufhin konnte Ernst von Bayern als neuer Erzbischof von Köln in Westfalen einziehen und hielt am 20.Juni.1584 seinen ersten Landtag in Geseke ab. Dieser hatte gewiss eine sehr symbolische Bedeutung, da der Rat der Stadt gezwungen war, sich dem neuen Herrscher zu unterwerfen und um Verzeihung für die vormalige Unterstützung zu bitten. Geseke war zu diesem Zeitpunkt also wieder in das katholische Lager gewechselt, was der Grund für die brutale Plünderung und Verheerung durch den Grafen von Oberstein im Jahre 1591 war.
Erst 1596 gab es nun wieder Aufzeichnungen über die Schützenbruderschaft in Geseke. Diese wurden in dem „Alten Schützenbuch“ niedergelegt. Der Autor des Artikels beschreibt es wie folgt: „Unser altes Schützenbuch ein zwei Finger dicker Quartband von 16 mal 20 Ctm. Größe ist in gebräuntes Pergament gebunden. Ein einfacher Riemen aus Wildleder, welcher an der Mitte des vorderen Einbanddeckels in ein Loch eingebunden und durch ein weiteres Loch im hinteren Deckel gezogen und dann zugebunden wird, bildet den gewiß äußerst ursprünglichen Beschluß des Buches.“
Inhaltlich lassen sich hier nicht nur die Namen der Vorstandsmitglieder der Bruderschaft finden, sondern historisch bedeutsame Aufzeichnungen während des Dreißigjährigen Krieges und der Zeit der Pest. Neben diesen findet man auch Niederschriften über das Inventar der Bruderschaft und Anschaffungen, die getätigt wurden.
Für das Jahr 1596 zitiert der Autor des Zeitungsartikels das Schützenbuch folgendermaßen:
„Verzeichnis der Schützen-Gesellen so in underscheidlichen vergangenen Jaren beampt gewesen.
Bevellichhabere dere Schützen-Gesellen von Jaren zu Jaren wie folget.“
Anno 1596
Johann Grotthaus; Koningh
Gerd Kramer; Fenrich
Hieronimus Dumpelman und Joachim Dickmann; Große Scheffere
Jacus Tibinger und Johann von Oipe; Garden Scheffere
Hermann Toph und Johann Bessten; Meyscheffere
Johann Kaupß; Wordtholder
Die hier genannten Ämter geben Auskunft über die Struktur innerhalb der Bruderschaft. Als erstes in der Hierarchie stand der Koningh, also der König der Bruderschaft. Darauf folgt mit dem Fenrich der Fähnrich, welcher noch heute innerhalb der Hofen an zweiter Stelle nach dem Hauptmann steht.
Besonders interessant ist hier die Aufteilung der „Scheffere“ oder Schäffer. Sie leiteten quasi die Geschäfte der Bruderschaft und waren sowohl für die Kasse als auch für die Organisation des Übungsschießens, zuständig. Interessant ist auch, wie bei Leesch in der 550 Jahr Chronik zu finden, dass die Großscheffer bei ihrem Amtsantritt eine gewisse Summe für noch nicht gedeckte Ausgaben vorschießen musste. Diese wurden dann in der Jahresabrechnung rückvergütet. Neben den Groß Scheffern gab es noch zwei „Garden Scheffer“, welche für die beiden Schützengärten, der eine vor dem Steintor, der andere vor dem Mühlentor gelegen, zuständig waren. Die Meyscheffer sollten die Großscheffer bei Ihren Aufgaben und gerade bei der Vorbereitung des Schützenfestes unterstützen. Die Aufgabe des Wordtholder bestand nach Leesch in dem Einsammeln der Braugerste und dem Brauen des Bieres für das Schützenfest. Nach der Bezeichnung scheint es allerdings auch plausibel, dass er als öffentlicher Sprecher für die Bruderschaft tätig war. Eine solche Amtstätigkeit lässt sich auch in anderen Städten, wie Hannover, für die Zeit nachweisen.
Die Scheffer wurden jeweils für ein Jahr in ihr Amt gewählt und hatten beim Antritt in ihrer Aufgabe in der Bruderschaft das sogenannte Beamten Geld zu zahlen. Dies war je nach Position gestaffelt. Großscheffer hatten 18 Groschen und die anderen Amtsinhaber jeweils 9 Groschen zu zahlen.
Wenn man sich die Liste des Vorstandes der Bruderschaft ansieht, stellt sich die Frage, wo die Einteilung in die Hofen und ihre Hauptleute zu finden sind? Das scheint daran zu liegen, dass es sich hierbei um die Liste der nicht militärischen Ämter der Bruderschaft handelt. Es gibt also eine Unterteilung zwischen dem „Geschäftsführenden Vorstand“ und den in der Verteidigung der Stadt eingebundenen Schützen. Der Vorstand ist in die bis heute bekannte militärische Hierarchie geordnet.
Leider sind die beiden alten Protokollbücher für die Nachwelt verloren gegangen und sehr viele Informationen, gerade auch aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, sind für uns nicht mehr greifbar. Umso bedauerlicher ist es, dass dem Autor des Artikels von 1896 diese Sachen noch vorgelegen haben und er die Aufgabe der Veröffentlichung der „lokal wichtigen Nachrichten“ der Nachwelt vorbehalten hat.
Im zweiten Artikel aus dem Jahre 1896, folgt die Beschreibung des Festes und ein historischer Rückblick des Auditeurs der Bruderschaft Philipp Thoholte.
Literatur und Texte:
O.A.: 1596-1896, in: Geseker Zeitung, 11.07.1896.
Johanek, Peter: Die Stadt Geseke im Spätmittelalter und im Anfang der Neuzeit, in: Geseke, Geschichte einer westfälischen Stadt Bd.1, Münster 2017. S. 245ff.
Leesch, Wolfgang: Geschichte der Schützengesellschaft zu Geseke, in: Festschrift zur 550-Jahr-Feier der St.Sebastianus Bruderschaft 1412e.V. Geseke, Geseke 1962, S. 9ff.
Spies, Britta: Geschichte des Schützenwesens in Geseke, in: Geseke, Geschichte einer westfälischen Stadt Bd. 2.1, Münster 2020. S. 553ff.