Festbeschreibung aus dem Jahr 1896
„Alte Zeitungsartikel neu erzählt“
von: Jan Eiserich
Über einen Zeitungsartikel der Geseke Zeitung vom 14. Juli 1896
In diesem Teil der Reihe „Alte Zeitungsartikel neu erzählt“, soll es nun, wie angekündigt, um die Festbeschreibung aus dem Jahr 1896 gehen. Diese erschien am 14.07.1896 in der Geseker Zeitung. Der Artikel zeichnet sich durch zwei interessante Passagen aus. Zum einen durch eine sehr ausschmückende und schon fast euphorische Unterstreichung der Bedeutung des Festes für Geseke und seine Bewohner. Zum anderen durch einen historischen Überblick über die Bruderschaft, welcher von August Löhers zu seinem 50. Mitgliedschaftsjubiläum vorgetragen wird.
Der Autor beginnt seinen Artikel folgendermaßen: „Zu den schönsten und reinsten Freuden, welche hier geboten werden, gehört unstreitig das Geseker Schützenfest und möchte man noch heute den Männern, welche es ins Leben riefen, dankbar die Hand drücken. Wir können sagen, daß wir in Geseke ein echtes Bürgerfest feiern, wo Freude, Einigkeit und Friede herrscht. Daß dieses der Fall ist hat uns die Vergangenheit bewiesen, es beweist dieses auch die große Begeisterung, mit welcher Jung und Alt schon lange vorher dem Fest entgegensehen, es beweist dieses die große Betheiligung von allen Klassen der Bevölkerung am Feste.“
Der Autor des Artikels zeichnet in seiner Einleitung ein idyllisches Bild des Geseker Schützenfestes, welches aus vergangenen Jahren auch heute noch sehr vertraut erscheint. Nun kann man natürlich sagen, man erkennt eindeutig unser Schützenfest als das Volksfest wieder, was wir auch heute noch genauso kennen. Und der Artikel hätte auch in neuer Zeit genauso in der Zeitung zu lesen sein können. Aber dennoch ist es hier ratsam, einzuhaken und etwas zurück zu blicken, um so einen möglicherweise weitreichenderen Einblick zu bekommen. Denn nach der Neuordnung der Bruderschaft im Jahre 1830 zeichnete sich ein anderes Bild rund um das Schützenfest in Geseke ab. Wie Hans-Peter Busch in seinem Aufsatz über die „Schützen nach dem Neuanfang 1830“ zeigt, gab es durchaus Konflikte auf verschiedenen Ebenen, welche dem idyllischen Bild des hier beschriebenen Festes widersprechen.
So kam es in der Zeit zwischen 1830 und 1892 immer wieder zu größeren Auseinandersetzungen mit der zuständigen Regierung in Arnsberg. Hier insbesondere zur Dauer des Festes. Es wurde mehrfach verfügt, dass das Fest der Bruderschaft stark reduziert werden musste. Also das eben nicht an drei Tagen gefeiert werden konnte. Dies war erst ab 1892 der Fall. Die Schützenvorstände und die Stadt Geseke waren stehts bemüht, an möglichst vielen Tagen feiern zu dürfen. Doch hatte man von Seiten der Arnsberger Regierung damit argumentiert, dass es teilweise zu Ausschweifungen und dem Einsatz von Polizei auf dem Fest gekommen sei. So wurden die Festtage streng reglementiert, neben der Einschränkung der Feierzeit gab es auch Verbote zum Ausschank von Branntwein, wie im Jahre 1867.
In den Briefwechseln zwischen dem Vorstand der Bruderschaft und der Bezirksregierung finden sich starke Parallelen zu unserem Zeitungsartikel. Denn auch in der Begründung, warum das Fest für die Bürger der Stadt Geseke so wichtig sei, wird immer wieder darauf hingewiesen, dass es sich um ein ausgesprochenes Volksfest handele und es sonst keine derartigen Veranstaltungen in der Stadt gebe. Auch gebe es nicht wie in größeren Städten die Möglichkeit für die Bürger ins Theater oder in Konzerte zu gehen. Deshalb sei das Schützenfest als Hochfest für die Stadt einzigartig.
Die zweite Passage des Artikels wird mit einer Jubilars Ehrung eingeleitet. Die Schützenbrüder Josef Schlüter und August Löhers wurden durch den Auditeur der Bruderschaft, Herrn Fabrikant Philipp Thoholte, geehrt. Aus diesem Anlass gab August Löhers in seiner Dankesrede einen Einblick in die Geschichte der Bruderschaft. August Löhers veröffentlichte im Jahr 1895 sein Buch „Geschichte von Geseke“. In diesem liefert er einen historischen Überblick über die Stadtgeschichte. Das Buch kann man übrigens online auf der Seite der ULB Münster digital nachschlagen.
August Löhers gab in seiner Ansprache die Geschichte der Bruderschaft wie folgt wieder:
„Schützenbrüder! Unser Schützenfest hat nicht des Vergnügens wegen seinen Ursprung herzuleiten, sondern der Noth. Selbst hinter geschlossenen Mauern war man nicht sicher, denn die Räuber lauerten auf Beute, entweder die Viehherden abzutreiben oder in das Innere der Stadt zu dringen und dem werkthätigen und fleißigen Bürger sein Hab und Gut zu rauben und ihn selbst dabei auf die schrecklichste Art zu schinden. Da war die Nothwehr geboten, man theilte die Stadt in 4 Bezirke (Hofen) in Nordhofen, Osthofen, Westhofen und Mittelhofen wählte in jeder Hofe einen Hauptmann und stellte ihm alle kräftigen Männer unter, welche zur Sicherheit und Wehr seinen Anordnungen zu folgen hatten bei Tag und Nacht. Die Hauptleute standen unter einem Stadtcommandanten, das war Bürgerweh. Die Devise war: „Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr.“ Unzählig sind die Mühen und Dienste, die sie geleistet, sie hatten sich auch in den Waffen zu üben, sei es in Bogen und Pfeil sein es später mit dem Schießeisen, da erhielten dann die besten Schützen einen Preis. Die Schützenprobe bestand vor der Scheibe, an deren Stelle der Vogel getreten ist. Die älteren Vereine erwählten sich zum Schutzpatron den hl. Sebastian, doch ging man später davon wieder ab und man nahm zum Patron den Schutzheiligen der betr. Parochie. So steht denn unser Schützenverein unter dem Schutze des Stadtpatron, des hl. Cyriakus, zum Wahrzeichen ist der Heilige in getriebenem Silber in hoher künstlerischer Ausführung auf unserem Königsschilde gewappnet zur Abwehr mit der Käule in der Hand zu sehen, als wenn er sagen wollte: Füge mir Keiner den Gesekern ein Unrecht zu. Aus diesem Zeichen geht unzweifelhaft hervor, daß unsere Vorfahren den hl. Cyriakus als ihren Schutzpatron erkoren haben. Gottesfurcht, Ordnung und Liebe waren die Grundpfeiler, welche unsere Vorfahren bei der Ausübung der Wehre ihrer geliebten Vaterstadt beseelten, mögen auch diese schönen Tugenden dem Schützenfeste, welches wir ihnen nachfeiern, sollten alle Feindseligkeiten ausgesöhnt und ausgelöscht, damit der Frieden und die Freude bei Allen einkehre, mögen die Stunden der Erholung der arbeitenden Familie viel Kraft geben zu neuer Thätigkeit. So stimmen sie denn mit mir ein: Das Offizierkorps, das Bataillon und alle Geseker leben hoch! Hoch! Hoch!
August Löhers liefert in seiner Ansprache quasi einen Parforceritt durch die Geschichte der Stadt Geseke bzw. unserer Bruderschaft. Geht man die Rede Schritt für Schritt durch, so enthält sie einige interessante Aspekte, die es sich lohnt, näher zu betrachten.
Als erstes nennt Löhers Gründe dafür, wieso die Aufstellung und Organisation von Schützen zu einer Gemeinschaft nötig war. Die Bürger der Stadt mussten sich gegen Übergriffe jeglicher Art verteidigen, um Ihr Hab und Gut zu schützen. Es gehörte zu den Bürgerpflichten, die Stadt zu verteidigen. Zur besseren Organisation der Schützen wurde die Stadt in vier Hofen aufgeteilt. Die vierte Hofe, die Mittelhofe, verschwand mit der Zeit. Heute wird umgangssprachlich der Stab der Bruderschaft als Mittelhofe bezeichnet. Offiziell gibt es allerdings nur drei Hofen, mit einer eigenen hierarchischen Struktur. Löhers vereinfacht in seiner Darstellung die doch sehr differenzierte Struktur der Schützengesellschaft. So gab es, wie im letzten Artikel schon angesprochen, verschiedene Ämter mit sehr bestimmten Aufgaben innerhalb der Bruderschaft. Der eine Schwerpunkt lag in der Stadtverteidigung und der andere im Schützenfestwesen und dessen Wirtschaftlichkeit. Löhers erwähnt hier lediglich die vier Hauptleute, die mit Ihren Männern jeweils dem Stadtkommandanten unterstanden. Dieses Amt, um es weiter auszuführen, wurde meist durch den Bürgermeister der Stadt wahrgenommen. Hierzu finden sich in den Listen 22 Beispiele von Kommandanten, die gleichzeitig Bürgermeister waren.
Der Schützengesellschaft oblag es, die Übungsschießen durchzuführen und die Bürger an den Waffen auszubilden. Die Schießen fanden auf dem sogenannten „Schützenhagen“ außerhalb der Stadt statt. Die Feierlichkeiten beging man hingegen im alten Rathaus am Marktplatz. Einmal im Jahr traf man sich, um die Würde des Königs unter sich auszuschießen. Das Schießen um die Königswürde geschah zunächst, wie Löhers richtiger Weise sagt, auf Scheiben. Dabei hatte jeder Schütze nur einen Schuss. Der beste Treffer entschied den König. Wer allerdings die Scheibe nicht traf, der musste eine Strafe zahlen. Eine gleiche Strafe musste derjenige zahlen, der nicht am Schießen teilnahm. Später ging man dazu über, auch ungeübten Schützen die Möglichkeit zu geben, König der Bruderschaft zu werden, indem man die Scheiben im Jahr 1830 bei der Neuordnung der Bruderschaft durch einen Vogel ersetzte. Hierbei stand nicht mehr der Charakter einer übenden Bürgerwehr im Vordergrund, sondern die Geselligkeit.
Der beste Schütze erhielt als Preis zum Beispiel lederne Handschuhe, silberne Löffel oder zinnerne Becken. Das heute noch bekannte Königsschild stammt aus dem Jahre 1501. Es wurde über die Jahre immer wieder ausgebessert, so zum Beispiel in den Jahren 1608 und 1755. Neben dem Schild schmückten die sogenannten Pendalen „Anhängsel“ den König, welche am Schild angebracht waren und von den vorherigen Schützenkönigen gestiftet wurden. Um die Preise und die Ausrichtung des Festes zu finanzieren, musste jeder Schütze einen Beitrag zahlen, welcher durch die Scheffer eingesammelt wurde. Dabei ist interessant zu wissen, dass die Scheffer nach Ihrer Wahl zwei Taler von der Bruderschaft zu Verfügung gestellt bekamen, mit denen sie das Fest ausrichten mussten. Nach Ende Ihrer Amtszeit mussten Sie diese zwei Taler allerdings wieder an die Bruderschaft zurückgeben.
Löhers benennt den auf ihm abgebildeten Heiligen als den hl. Cyriakus. Diese Interpretation liegt nahe, da der hl. Cyriakus neben dem hl. Petrus, dem die Stadtkirche geweiht ist, der Schutzpatron der Stadt Geseke ist. Allerdings handelt es sich bei der Darstellung als „wehrhafter Ritter“ nicht um eine klassische Ikonografie des Heiligen. Dies beruht wahrscheinlich auf einen Zwischenfall aus dem Jahr 1415. Der Legende nach soll während einer Fehde zwischen Kurköln und dem Hochstift Paderborn der hl. Cyriakus als gewappneter Ritter den Gesekern zur Hilfe geeilt sein, als diese bei einem Einfall der Paderborner in Geseker Gebiet in Bedrängnis geraten sind. Der hl. Cyriakus ist einer der 14 Nothelfer und Patron des ehemaligen Damenstiftes in Geseke.
Grundsätzlich kann man festhalten, dass die Bruderschaft über die Jahre mehrere Schutzpatrone um ihre Fürsprache bat. Im Anfang die belegten sunte Fabiani und Sebastiani, danach auch die hl. Petrus, Paulus und Cyriakus. Diese sind auch nochmal ausdrücklich auf dem Schild des Kronkönigs aus dem Jahr 1790 benannt. Der offizielle Titel des Kronkönigs stammt allerdings erst aus dem Jahre 1830.
Nach dem 2.Weltkrieg und der Neugründung im Jahre 1947 wurde der hl. Sebastian der namensgebende Patron der Bruderschaft. Die Schützenbruderschaft zu Geseke wurde zur St. Sebastianus Schützenbruderschaft Geseke 1412 e.V..
Literatur und Texte:
O.A., Aus Stadt, Kreis und Provinz, in: Geseker Zeitung, 14.07.1896.
Busch, Hans Peter, Die Schützen nach dem Neuanfang 1830, Neuanfang 1830 | St. Sebastianus-Schützenbruderschaft Geseke (sankt-sebastianus.de), stand 10.10.2022
Hinteler, Hermman, Die Kleinodien, Die Kleinodien | St. Sebastianus-Schützenbruderschaft Geseke (sankt-sebastianus.de), stand 10.10.2022
Hinteler, Hermman, Das Patrozinium des hl. Cyriakus, Der hl. Cyriakus | St. Sebastianus-Schützenbruderschaft Geseke (sankt-sebastianus.de), stand 10.10.2022
Leesch, Wolfgang: Geschichte der Schützengesellschaft zu Geseke, in: Festschrift zur 550-Jahr-Feier der St.Sebastianus Bruderschaft 1412e.V. Geseke, Geseke 1962, S. 9ff.
Löhers, August, Geschichte von Geseke, Geseke 1895, Historische Drucke (Verbundkatalog) / Geschichte von Geseke (uni-muenster.de), stand 10.10.2022