Der Film von 1913

Alles begann auf einer Vorstandssitzung der Nordhofe am 7. November 2008, in der Ehrenmajor Antonius Bartscher unter dem Punkt „Verschiedenes“ vorbrachte: „Ich habe da zu Hause noch einen alten Film, den ich in meinem, doch nun fortgeschrittenen Alter, gut untergebracht wissen will. Ich habe ihn 1969 vom damaligen Platzmajor, Franz Kayser, erhalten und nach dem Krieg einmal im damaligen Kino Claesberg (heute Gaststätte „Schwarzer Adler“) gesehen. Er wurde im Fahnenschrank der Bruderschaft aufbewahrt. Ich erinnere mich nur noch, darauf viele Pickelhauben und den alten Rechtsanwalt Becker gesehen zu haben. Im Grunde weiß ich nur, dass der Film aus dem Jahre 1913 ist und den Festumzug von der 500-Jahr-Feier der Sebastianer zeigt. Viel mehr kann ich nicht sagen.“

– 1913 wurde das Jubiläum der Bruderschaft zum 500-jährigen Bestehen gefeiert. Dass das Jubiläum 1913 nicht 1912 gefeiert wurde, hatte seinen Grund. Im Jahre 1912 und auch schon 1911 plante man in Deutschland allerorts Feiern für das bevorstehende Doppeljubiläum im Jahre 1913: die Hundertjahrfeier der Befreiungskriege und das 25-jährige Dienstjubiläum des Kaisers und Königs Wilhelm des I. Auch in Geseke war die politische Begeisterung groß und so entschloss sich die Schützengesellschaft, ihre 500-Jahrfeier in das Jubiläumsjahr zu verlegen. Geseke feierte drei Jubiläen: Das 25-jährige Kaiser-Wilhelm-Jubiläum, das 100-jährige Befreiungsjubiläum und das 500-jährige Jubiläum der Geseker Schützengesellschaft mit einem prächtigen historischen Umzug, der, damals etwas Besonderes, gefilmt wurde. Es gibt allerdings auch die Annahme, dass das Jubiläum zu 1912 schlicht vergessen wurde.

Das Vereinsleben hatte dann während des 1. Weltkrieges vollständig geruht. Es dauerte auch nach dem Waffenstillstand noch lange, bis sich eine Normalisierung des Lebens einstellte. Trotzdem beschloss der Vorstand am 24. Februar 1919, einen Schützenfilm vom Jubiläumsfest 1913 anzukaufen. Da dem Verein aber die Mittel fehlten, stiftete der Oberst Toholte ein Drittel der Gesamtkaufsumme und streckte auch die restlichen 200 Mark vor. (Damit bewies der charismatische Oberst Toholte (Oberst von 1904-1935), einmal mehr eine glückliche Hand um das Geschick der Bruderschaft.) –

 

Leutnant Hans-Georg (Schorsch) Dröge „nahm den Ball auf“, hatte er doch Kontakt zur ehemaligen Schulkollegin, N. R., deren Mann, M. R., Redakteur beim WDR ist. Dann rollte das „Projekt: Film 1913“ an.

 

Es wurde Verbindung zum Bundesfilmarchiv in Berlin-Hoppegarten (auf dem ehemaligen Gelände der Staatssicherheit) aufgenommen, die dieses Filmdokument aufarbeiten wollte.

 

Zeitgleich kam ein Filmteam nach Geseke um für einen Filmbericht in „Hier und Heute unterwegs“ Material zu sammeln. Zur großen Überraschung war in der „Filmkiste“ nicht nur eine Filmrolle, sondern zwei.

Also wurde Leutnant der Nordhofe, Schorsch Dröge, begleitet durch das Filmteam des WDR, am 3. Dezember 2008 nach Berlin „in Marsch gesetzt“.

Nach der chemischen Analyse des Filmmaterials in Berlin steht fest, er stammt aus der angenommenen Zeit um 1913. Interessant ist noch, dass das Filmmaterial Nitrozellulose (aus dem auch heute noch Tischtennisbälle hergestellt werden) hochexplosiv ist und in Deutschland unter das Sprengstoffgesetz fällt. Der Originalfilm wird nach dem Anlegen einer 35mm-Kopie von entsprechenden Stellen, fachgerecht, entsorgt (gesprengt). Für die technische Rekonstruktion des Films zeichnete sich  Referatsleiter Herr Koppe verantwortlich.

Der Film ist stark geschrumpft, deshalb wäre eine Vorführung auf einem „normalen“ Projektor nicht mehr möglich gewesen. Nach erster Sichtung eine kleine Sensation: Auf den 2 Filmrollen befinden sich 4 Filme. Von 1913, 1929, 1930 und 1936 –  insgesamt eine halbe Stunde Material! Damit hatte wohl niemand gerechnet. Die grafische Einbindung von Zwischentexten weist auf die professionelle Arbeit einer Kopieranstalt hin. Die Referatsleiterin Frau Kühn bewertete das Filmmaterial als historisch wichtig und wird es nach der Restaurierung, in das Bundesfilmarchiv einlagern. Der Film von 1936 scheint noch nie vorgeführt worden zu sein.

 

So kam Schorsch mit 2 DVDs nach Geseke zurück. Zur Bataillons-Vorstandssitzung am 7. Dezember war der erste Tagesordnungspunkt: Film gucken. Wegen der Filmaufnahmen des WDR-Teams, wurde die Sitzung in Uniform abgehalten. Die Vorführung löste eine große Begeisterung aller aus. Es wird jetzt geprüft, ob für eine Vervielfältigung, noch irgendwelche Urheberschutzbestimmungen beachtet werden müssen. Auf jeden Fall wird der Film zur Generalversammlung am 30.01.2009 in der alten Ratsschänke zum ersten Mal einem breiten Publikum vorgeführt. Geplant sind weitere Vorführungen des Geseker Heimatvereins unter der Leitung von Archivar Leutnant Hans-Peter Busch.

 

Der Filmbericht lief in der Sendung „Hier und  Heute unterwegs“ am 8. Januar im WDR-Fernsehen. Die Einschaltquote betrug 15%, mit angenommenen 715.000 Fernsehzuschauern.

 

Somit ist die Bruderschaft stolz, ein solches Zeitdokument in Händen zu halten. Schon im Hinblick auf das 600-jährige Jubiläum 2012 und das Bundesschützenfest 2013 sind diese Filme als wirklicher Schatz zu bezeichnen.

 

An dieser Stelle soll nochmals allen Beteiligten für dieses „Vereins-Vermächtnis“ herzlich gedankt sein:

 

Ehrenmajor Antonius Bartscher

Leutnant der Nordhofe Hans-Georg (Schorsch) Dröge

Y.

X. und dem gesamten WDR-Team

Referatsleiterin (Inhalt) Frau Kühn, Bundesfilmarchiv

Referatsleiter (Technik) Herr Koppe, Bundesfilmarchiv

 

 

 

(Vielleicht sei an dieser Stelle auch noch erinnert, wozu Gebühren der „Öffentlich Rechtlichen“ sinnvoll eingesetzt werden…)