Als der „Tolle Christian“…
…in Westfalen einfiel

Große Not vor 375 Jahren

Von Willi Mues, Erwitte

Das Jahr 1997 ließ in Stadt und Kreis Soest die Erinnerung wach werden an eine Zeit, die nun schon 375 Jahre zurückliegt und in die Epoche des Dreißigjährigen Krieges gehört. Das Jahr 1622 ist für viele Orte des Kreises Soest und darüber hinaus mit besonders blutigen und feurigen Lettern die Geschichte geschrieben. Der „Tolle Christian“ ist hierzulande auch noch fast 375 Jahre nach seinem Tode ein Begriff für Raub, Plünderung und Brand; sind doch von ihm und seinen Scharen ganze Orte in Schutt und Asche gelegt worden.

Der „Tolle Christian“ wurde am 20. September 1599 auf dem halberstädtischen Schlosse Groningen an der Bode geboren. Sein Vater, ein strenger, ernster und tatkräftiger Mann, war der Herzog Heinrich Friedrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, seine Mutter eine Schwester des Dänenkönigs Christian IV. Der ältere Bruder Christians, Friedrich Ulrich, trat 1613 das väterliche Erbe an. Christian selbst wurde mit 17 Jahren vom Domkapitel zum Bischof von Halberstadt gewählt. Im folgenden Jahre erwarb er die Abtei Michelsstein und Propstei am Dome zu St. Blasien in Braunschweig. Der Kaiser aber, der sich auf den Augsburger Religionsfrieden von 1555 stützte, weigerte sich, die Wahl anzuerkennen. Trotzdem wurde Christian Administrator von Halberstadt und bezog die Einkünfte der Propstei. Er sah in diesen Pfründen ein Mittel, seinen Neigungen nachzugehen und Krieg zu führen.

Gegen den Kaiser
Als der Dreißigjährige Krieg ausbrach, weilte Christian bei dem Prinzen von Oranien. Hier führte er ein ausschweifendes Leben, und seine Mittel gingen daher bald zu Ende. Um seine finanzielle Lage zu verbessern, bot er schon zu Lebzeiten des Königs Matthias den Böhmen seine Hilfe an gegen den Kaiser Rudolf II. Da man aber seine zu hohen Forderungen ablehnte, trat er in holländische Dienste und machte als Dragonerhauptmann im Jahre 1620 eine Expedition in das Gebiet Friedrichs V. von Kurpfalz mit, der als König der Böhmen nur einen Winter lang regieren sollte und sich an die Spitze der Union stellte. Nach der Schlacht am Weißen Berge bei Prag am 8. November 1620, in der die katholische Liga über die evangelische Union siegte, war Friedrich V. über Schlesien und Brandenburg nach Holland geflohen, wo auch Christian von Braunschweig mit ihm zusammentraf. Zu der Gemahlin Friedrich V., der schönen Pfalzgräfin Elisabeth, fasste der „Halberstädter“ eine schwärmerische Liebe, obwohl sie seine leibliche Tante war. Er hatte geschworen, nicht eher zu rasten, bis sie wieder Königin von Böhmen sei. Von 15 neuen Fahnen, die er in Magdeburg herstellen ließ, zeigten 10 die Inschrift „Zurückerobern oder sterben“, und 5 die Worte „Alles für Gott und für Sie“ (die Winterkönigin).

 

Friedrich V. gab ihm ein Patent, das ihn berechtigte, eine Anzahl Reiter- und Fußtruppen zu werben. Christian ließ darum auch in Westfalen die Werbetrommel rühren und mit List und Gewalt wurden die jungen Bauernburschen entführt. Der Sammelpunkt für die geworbenen Truppen war Hessen-Kassel. Seinem Bruder hatte er schnellen Durchzug durch dessen Gebiet versprochen. Da die Söldner aber trotzdem raubten und plünderten, zog der Bruder gegen sie ins Feld und schlug sie. Wenige Söldner retteten sich zur Reiterei nach Bielefeld.

 

Von Bielefeld wandte sich Christian nach Hessen-Darmstadt, das unter kaiserlichem Schutz stand, wurde dort aber zurückgeschlagen. Um den Erzbischof Ferdinand von Köln, der für seine Person und als Bruder des Kurfürsten Maximilian von Bayern, der das Haupt der katholischen Liga war, zu den heftigsten Gegnern Friedrichs V. (des Winterkönigs) gehörte zu schädigen, so schlug er seine Winterquartiere im Bistum Paderborn auf, das seit 1618 zu dessen Pfründen zählte.

 

In Lippstadt
Ende Dezember 1621 rückte Christian in das Hochstift Paderborn ein und bezog Quartiere in der Warburger Börde. Seine Truppen durchstreiften von dort aus nach allen Seiten das Land nach Unterhalt und Beute. Am 2. Januar 1622 erschien eine Truppe von 300 Reitern seines Heeres vor den Toren der Stadt Lippstadt und verlangte Einlass. Ohne Kampf rückte der Oberstleutnant Graf Hermann Otto von Stirum mit seinen Reitern über den zugefrorenen Stadtgraben in die Stadt ein. Mit Hilfe der Bürger wurde die nur etwa 40 Mann zählende spanische Besatzung mit samt ihrem Hauptmann überwältigt und größtenteils gefangen genommen; nur wenige konnten vielleicht fliehen. Zwölf Kanonen und reiche Vorräte fielen den herzoglichen Truppen in die Hände. Zwei Tage später erschien Herzog Christian selbst und machte Lippstadt zu seinem Hauptquartier. Von hier aus konnte er bequem in die benachbarten Bistümer einfallen, denn Lippstadt, auf der Grenze gelegen, war hierfür ein idealer Aufmarsch- und Verteidigungsplatz. Seine Scharen, die immer zahlreicher wurden, zogen von hier aus in alle Richtungen, um zu plündern und zu brandschatzen.

 

Am 3. Januar erschien der braunschweigsche Obristlieutenant mit seinen 300 Reitern auch vor der Stadt Soest, um diese in Besitz zu nehmen. Die Soester Bürger waren aber nicht zu bewegen, eine braunschweigsche Besatzung aufzunehmen. Raubend und plündernd durchzogen diese Scharen dann die fruchtbare Soester Börde und zerstörten viele Kirchspiele; andere mussten hohe Kontributionen zahlen. Um diesem wüsten Treiben zu beendigen, ging die Stadt Soest und die Börde einen Vergleich mit Christian ein. Die Stadt Soest zahlte 3000, die Börde 1000 Thaler. Christian versprach, in Zukunft dieses Gebiet zu verschonen.

 

In Soest
Ungeachtet dieser Abmachungen rückte Herzog Christian dann am 20. Januar 1622 mit 2000 Reitern und etwa 8000 Mann zu Fuß abermals in die Soester Börde ein. Nachdem er die Dörfer Sassendorf, Opmünden und Elfsen in Brand gesteckt hatte, erschien er vor Soest. Es kam zu heftigen Kämpfen und zweimal wehrten die Soester einen Sturmangriff ab. Nach Sprengung des Osthofener Tores und Ausbruch eines Brandes sah sich der Magistrat aber genötigt, die Stadt zu übergeben. Es gelang unter leidlichen Bedingungen ein Abkommen zu schaffen. Trotzdem erlebte die Börde abermals neue Plünderungen. In Soest fiel dem Herzog auch der Paderborner Domschatz im Werte von 330 000 Thalern, der dem Propst des Patroklistiftes zur Aufbewahrung anvertraut war, in die Hände. Am 5. April erbeutete er im Hof des Klosters Olinghausen den gewaltigen Erbschatz des verstorbenen Bischofs von Paderborn, Dietrich von Fürstenberg. Dieser bestand aus 50 Zentnern Silber an Reichtsthalern, 63 Säcken in Gold, jeder im Werte von 500 Reichsthalern, und vielen anderen wertvollen Kunstgegenständen aus Gold und Silber.

 

Von Soest aus unternahm Christian ebenfalls viele Raubzüge u. a. bis Körbecke, Warstein und Kallenhardt. Viele Städte suchten sich durch teuer erkaufte Schutzbriefe zu retten, die aber nachher meistens nicht gehalten wurden.

In Lippstadt ließ er derweil unter Leitung niederländischer Baumeister die alten Befestigungsanlagen der Stadt ausbessern, wogegen er die benachbarte feste Burg Lipperode niederreißen ließ. Am 4. Januar verlangte er auch in Geseke Winterquartier, ließ sich aber am 15. Januar vorläufig mit 1500 Thalern beschwichtigen. Dafür war aber zunächst die benachbarte Gegend an der Reihe: In Störmede, Ehringhausen, Mönninghausen, Langeneicke, Esbeck, Dedinghausen und Rixbeck wurde gebrandschatzt, Pferde, Getreide und Gerätschaften aller Art geraubt und weggeführt. Die Eingesessenen des Gogerichts Geseke gebrauchten naturgemäß Repressalien, wodurch gegenseitige Beschwerden hervorgerufen wurden. So klagten dann später die fürstlichen Räte in Paderborn, dass die Lippstädter 200 Mann stark ins Stiftsgebiet eingefallen seien; dieselben hätten namentlich die Bewohner von Mettinghausen vergewaltigt, das Wachthaus zugrunde gerichtet und die Schanzen eingerissen.

 

Um Paderborn

Am 28. Januar 1622 erschien vor den Toren von Paderborn der Kapitän Neuhoff mit einer Truppe Halberstädter und verlangte Einlass. Die Stadt war wohl befestigt mit Mauern und Schanzen und wurde verteidigt von 300 kurfürstlichen Soldaten und 600 waffenfähigen Bürgern. Die Stadt wurde weiterhin verstärkt, aber die Bürgerschaft war uneins, zudem fehlte ein erfahrener Befehlshaber. Aus diesem Grunde wurde eine Kompanie Fußsoldaten des Kapitäns Neuhoff aufgenommen, nachdem die kurkölnische Besatzung vorher abgezogen war. “ Als Christian davon hörte, zog er eilig von Lippstadt nach Paderborn und hielt dort mit großem Gefolgte am 30. Januar feierlich seinen Einzug. Die Einwohner jubelten ihm zu und schworen dem Erzbischof von Köln ab. In Paderborn fand Christian ebenfalls reiche Beute; und das kostbarste Stück war der vergoldete Silberschrein des hl. Liborius, an dessen Seitenwänden die Bildnisse der zwölf Apostel angebracht waren. Er wog ca. 800 Pfund und war mit kostbaren Steinen reich besetzt.

Am 6. Februar zog Christian wieder nach Lippstadt, wohin er die geraubten Schätze mitnahm. Hier ließ er aus dem Libori-Schrein Münzen prägen, die sog. „Pfaffen-Thaler“, die auf der Rückseite den Text trugen: „Gottes Freund, der Pfaffen Feind“.

Die reichen Schätze, die er erbeutet hatte, ermöglichten es ihm dann auch, ein größeres Söldnerheer anzuwerben, das bedeutend stärker war als das ligistische Heer, das unter dem Unterfeldherrn Dietrich Ottmar von Erwitte stand. Von allen Seiten strömten Abenteurer, Müßiggänger und brotlose Söldner zum Heere Christians, um unter den Fahnen des 23jährigen Generals, von dessen seltsamen Leben und wunderlichen Kriegsabenteuern sie gehört hatten, ihr Glück zu machen. So finden sich auch westfälische und niedersächsische sowie kölnische Adelige im Heere des „Tollen Christian“.Die reichen Schätze, die er erbeutet hatte, ermöglichten es ihm dann auch, ein größeres Söldnerheer anzuwerben, das bedeutend stärker war als das ligistische Heer, das unter dem Unterfeldherrn Dietrich Ottmar von Erwitte stand. Von allen Seiten strömten Abenteurer, Müßiggänger und brotlose Söldner zum Heere Christians, um unter den Fahnen des 23jährigen Generals, von dessen seltsamen Leben und wunderlichen Kriegsabenteuern sie gehört hatten, ihr Glück zu machen. So finden sich auch westfälische und niedersächsische sowie kölnische Adelige im Heere des „Tollen Christian“.

Vor GesekeObwohl Christian jetzt über eine größere Armee verfügte als der ligistische General Graf von Anhalt, so fügte ihm dieser doch beträchtliche Verluste bei. Am 5. März entsetzte der Oberstleutnant Dietrich Ottmar von Erwitte, Erbherr auf Ebbinghausen, einer der tapfersten und geschicktesten Offiziere im Heere Anholts, mit 1000 Reitern und einigen hundert Fußsoldaten nach Geseke. Trotz der Kontribution von 1500 Talern, mit welchen Geseke sich im Januar zunächst freigekauft hatte, waren von Christian 300 Bewaffnete ausgeschickt worden, um die Stadt zu überrumpeln. Schon waren diese eingedrungen und drohten der Stadt mit Feuer und Schwert, als die Kölnischen zur Nachtzeit unter Mithilfe der Rüthener Bürger die Mauern erstiegen, die Tore öffneten und die Braunschweiger verdrängten. Dietrich Othmar zog dann weiter über Büren und Brenken ins Warburgische, um Warburg wieder zu erobern.

Gegen Dietrich Ottmar von ErwitteVon Paderborn aus, wo er zwischenzeitlich wieder hingezogen war, kam der „Tolle Christian“ nun wieder zurück und rüstete sich zum Ansturm auf Geseke. Dorthin war auch Dietrich Ottmar von Erwitte am 23. März mit 1000 Reitern und einigem Fußvolk zurückgekehrt. Christian meinte nun alles aufbieten zu müssen, den gerade nicht festen Platz einnehmen zu müssen, bevor weitere ligistische Verstärkungen eintrafen. Am 4. April schlug er mit 24 Kompanien Reiter, 10 Fähnlein Fußvolk und vier halben Kartaunen, welche er von Neuhaus heranschaffen ließ, vor dem Steintore an der Südseite der Stadt sein Lager auf. Die Stadt Paderborn musste 6000 Pfund Brot, 2000 Pfund Speck und 10 Wagen mit Bier hierher schicken, wovon auch bereits am 7. April ein Teil geliefert wurde. Mit großem Eifer begann Christian die Belagerung von Geseke und leitete selbst Angriffe und Sturm; sein Hauptquartier hatte er auf dem Hause Störmede. Aber Dietrich Ottmar von Erwitte verteidigte die Stadt mit größtem Geschick, die Besatzung war tapfer und die Bürger selbst zur namhafter Gegenwehr bereit. Auch in den Friedenszeiten hatten diese die Übung mit den Waffen nicht vernachlässigt. Besonders hatte die schon seit Beginn des 15. Jahrhunderts bestehende Sebastianus-Schützenbruderschaft an der Petrikirche der heranwachsenden Jugend Gelegenheit gegeben zur kriegerischen Ausbildung, die sich bereits in den truchsessischen Wirren bewährt hatte. Aufs neue bewährte die Bürgerschaft jetzt ihren alten Ruf der Wehrhaftigkeit. Sie kämpfte hier um ihr Leben, denn Christian hatte gedroht, kein Kind in der Wiege verschonen zu wollen. Tag und Nacht hielten die Eingesessenen gemeinsam mit den Soldaten auf den Wällen Wache und wenn die Alarmsignale erklangen, eilte alles herbei.

Sturm auf GesekeGleich am ersten Tage feuerten die braunschweigschen Kanonen in die Stadt, und in der folgenden Nacht wurde ein Laufgraben aufgeworfen. Am 5. April erfolgten zwei Sturmangriffe, die aber beide mit Erfolg abgeschlagen wurden. Herzog Christian forderte nunmehr die Stadt nochmals zur Übergabe auf, indem er Dietrich Ottmar zugleich einen ehrenvollen Abzug zusicherte. Der aber erwiderte ihm, er sei gesonnen, „bis auf den letzten Mann zu fechten“. In der Nacht vom 6. zum 7. April nochmals besonders unternommene Anstrengungen schlugen ebenfalls fehl. Nachdem die Befestigungsanlagen durch das Artilleriefeuer schon sehr mitgenommen waren, ließ Christian morgens um zwei Uhr sein Heer von drei verschiedenen Seiten zum Sturm auf die Stadt vorrücken. Über vier Stunden dauerte der Kampf, in dem Bürger und Soldaten gleich gut fochten. Auch die Fahne der Schützenbruderschaft wurde in dieser Nacht arg zerschossen. Selbst Weiber und Mägde sollen in dieser Nacht Mist und Holz herbeigeschleppt haben, um die Steinpforte und andere beschädigte Punkte auszubessern und kochendes Wasser, Pech und Schwefel, um es den Feinden aufs Haupt zu schleudern. Es gelang den Braunschweigern zwar, durch eine Bresche am Steintor, wo sie durch einen Hohlweg gedeckt bis nah an die Wälle herangekommen waren, in die Stadt einzudringen, aber sie wurden wieder hinausgedrängt.

Vier größere Sturmangriffe hatten die Belagerer bereits unternommen, und mehr als 400 29pfündige Kanonenkugeln in die Stadt geworfen, wie eine alte Chronik berichtet, und bereits gegen 1000 Mann an Toten und Verwundeten geopfert; aber noch immer machte die Belagerung keine Fortschritte. Da ließ der Herzog am 10. April durch einen Trompeter um Waffenstillstand nachsuchen. Der Kommandant erwiderte spöttisch, noch seien nicht genug Tote zu bestatten, es müssten zuvor noch mehr kommen. Endlich wurde aber doch eine dreistündige Waffenruhe eingelegt. Auf eine nochmalige Aufforderung zur Übergabe wurde ihm die Antwort zuteil, „er möge nur lustig kommen mit rechtschaffenen Soldaten, der armen Bauern aber schonen“. Herzog Christian sah ein, dass er sich nicht länger vor Geseke behaupten konnte, da auch schon Ersatztruppen aus dem Herzogtum Westfalen anrückten. So entschloss er sich, die Belagerung von Geseke abzubrechen. Seine Geschütze befahl er nach Salzkotten zu führen. Den Belagerten aber und ihrem tapferen Anführer Dietrich Ottmar von Erwitte ließ er durch einen besonderen Trompeter seine Anerkennung aussprechen und ferneres Glück und guten Morgen wünschen. Die Besatzung von Geseke soll in diesen Tagen nur 6 Mann, vier Deutsche und zwei Wallonen, verloren haben, von den Geseker Bürgern war niemand gefallen.

Die Abwehr dieses Angriffes gereichte der Stadt Geseke zu großem Ruhm und wird bis auf den heutigen Tag mit einem Dankgottesdienst und einer großen Prozession über die alten Wälle jährlich am 3. Sonntag nach Ostern feierlich begangen. 
Schon am Tage nach dem Abzuge des Herzogs Christians rückten 17 Kompanien ligistischer Truppen in Geseke ein. Der Kurfürst, den man von der glücklichen Abwehr der Feinde benachrichtigt hatte, drückte den Bürgern seine Anerkennung aus, indem er zugleich die Hoffnung aussprach, sie würden auch fernerhin „aufnötigen Fall an beständiger guter Kontinuation nichts lassen ermangeln, der getrosten Zuversicht und Hoffnung, der Allmächtige werde seinen Segen geben, dass diese Sachen unverlangt wiederum zum guten Frieden und Wohlstand geraten mögen.“ Die fürstlichen Räte in Arnsberg hatten auf eine Bitte um Unterstützung erwidert, die Beschwernis sei leider so groß, dass sie nicht imstande seien, Abhilfe zu schaffen, man müsse alles der Barmherzigkeit Gottes anheim stellen, welcher der Armen, Witwen und Waisen Flehen nicht unerhört lassen werde. Der Landesherr scheint auf gleiches Gesuch hin besseren Rat geschafft zu haben. Auf seine Anordnung wurde bestimmt, dass fortan in Geseke nur ein Reiterkornet, etwa 70 Pferde, verbleiben und bessere Ordnung innegehalten werden sollte. Der Obrist Leo von Westphalen verordnete, dass seine Reiter sich mit Hausmannskost begnügen, keinen Wein und Branntwein oder sonstige unnötige Bedürfnisse von den Bürgern verlangen sollten; die Stadtschlüssel sollten bei Bürgermeister und Rat verbleiben, die Eingesessenen aber zu sorgsamer Wacht angehalten werden.

Rache für GesekeHerzog Christian rückte mit seinen Truppen von Geseke aus in verschiedene Richtungen ab und nahm schreckliche Rache für die vor der Stadt Geseke erlittenen Niederlage. Ein Teil seines Heeres rückte wieder in die Warburger Börde, belagerte vergeblich die Stadt Warburg und eroberte aber mehrere andere kleine Städte und ließ mehrere Dörfer in Flammen aufgehen. Der andere Teil seines Heeres zog den Hellweg entlang, verwüstete hier mehrere Orte. Anröchte, Berge, Westernkotten, Overhagen und Erwitte sowie das Schloss des Drosten von Werl wurden verheert und zum größten Teil durch den Brandmeister David in Asche gelegt. Altengeseke, Menzel, Altenrüthen waren weitere Dörfer, die zerstört wurden. Gegen Rüthen konnte der „Tolle“ nicht viel unternehmen, da die Stadt gut befestigt war und außer den Bürgern auch von einer ligistischen Besatzung verteidigt wurde. Die fruchtbare Ebene am Hellweg glich in kurzem einem öden, verlassenen Landstriche, berichtet der Chronist.

Von Altenrüthen wird berichtet: Als die Braunschweiger vernahmen, dass die ligistische Besatzung sich auf Ruthen zurückzog, zogen sie gegen Altenrüthen und „weil das Dorf zur Stadt gehörte, in Feuer und Asche gelegt, dass wenig Zimmer übrig blieben“.

Von Anröchte ist überliefert, dass „25 mehrenteils wohlgebaute Wohnhäuser zusambt 10 Spieckern und 4 Scheuern, alles voller Korn, Hausgeräte und anderer Hausmannsnotdurft mit angestochen und in Asche gelegt und alles verderbt und zunichte gemacht.“

In Erwitte selbst lagen seit der Besatzung Lippstadts am 2. Januar bereits 1 – 2 Kompanien braunschweigsche Soldaten und Reiter, die die Bürger hart bedrängten und von dort auch Raubzüge in die Nachbarschaft unternahmen. Nach der dann erfolgten Verbrennung des Dorfes durch die anderen Truppen des „Tollen Christian“ blieb kaum ein Haus unversehrt. In diesen Tagen ging auch das alte Könighofgebäude und die restlichen sechs zu diesem alten Haupthof gehörenden Gebäude in Flammen auf. Als eines der wenigen überlebte wohl die alte Kirchpforte aus dem Jahre 1444 und einige Häuser der engeren Kirchhofsiedlung mit der Kirche diese Katastrophe. Wie hoch die genauen Schäden waren, wird wohl nie einer richtig festgestellt haben. An diese traurige Zeit erinnert noch heute ein alter Türsturz in lateinischer Sprache an der Westseite der alten Scheune auf der Besitzung Kreilman.

Erwitte hat als mitteraltliches Dorf, dessen Anlage und Besiedlung sicherlich noch ursprüngliche Elemente aufwies, in jenen schrecklichen Tagen sein altes Gesicht verloren und wurde nachher wieder neu aufgebaut. Die heute noch vorhandenen Straßen und alten Fachwerkhäuser im Ortskern reichen in die Zeit des Wiederaufbaus nach dem Dreißigjährigen Krieg zurück.

Alle diese Drangsale in unserer näheren Heimat waren aber nur der Anfang einer Leidenszeit, die noch rund ein viertel Jahrhundert bis zum Friedensschluss in Münster im Jahre 1648 dauern sollte. Der „Tolle Christian“ brach, von ligistischen General Graf Anholt im Sommer 1922 aus Mittel-Westphalen vertrieben, in das Bistum Münster ein und verwüstete auch dieses. Noch einmal drang Herzog Christian von Braunschweig von Holland aus in Westfalen ein, wurde aber bei Stadtlohn im Jahre 1622 vom ligistisch-kaiserlichen Feldherrn Graf Tilly geschlagen. In der zweiten Periode des Dreißigjährigen Krieges trat er in die Dienste des Königs Christian IV. von Dänemark. Aber schon am 6. Mai 1626 ereilte ihn, 27 Jahre alt, in Wolfenbüttel der Tod. 
An den erfolgreichen Verteidiger von Geseke, Dietrich Ottmar von Erwitte, erinnern in Geseke und Erwitte heute noch zwei Straßen, die seinen Namen tragen.
Nachstehendes altes Lied wussten unsere Großeltern noch zu singen:

„Horch Kind, horch
wie der Sturmwind weht
und rüttelt am Erker. -Wenn der Braunschweiger draußen steht,
der fasst uns noch stärker.
Lerne beten, Kind
und falten fein die Händ,
dass noch Gott den tollen Christian
von uns wend.“

Als Wallenstein von seinem Tode erfuhr, soll er ihm mit schwarzem Humor „Viel Glück auf die Reise“ nachgerufen haben.
Katholische Quellen berichten, er sei wie Herodes gestorben, da seine inneren Organe von einem Riesenwurm zernagt worden seien.
Seine Truppen zerstreuten sich, um unter anderen Befehlshabern weiter zu morden. – Vielleicht unter Bernhard von Sachsen-Weimar, einem Schüler Christians.
Persönlichkeiten wie Christian von Braunschweig irritieren und fesseln durch ihr facettenreiches Leben.
Je nach Standpunkt ist man von ihnen und ihren Taten abgestoßen oder ist fasziniert von ihrer Lebensführung ohne moralische Skrupel und menschliche Bindungen.
Zum großen Erstaunen stellt man fest, dass auch Frauen mit hohem Intellekt und gesundem Ego in den Hochaufgeschossenen Jüngling mit den wilden Haaren verliebt waren. Die Dichterin Annette von Droste gehörte dazu. 

Auch wenn Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel nicht zu den militärisch erfolgreichsten Feldherrn des Dreißigjährigen Kriegs zählte, ragte er zumindest durch seinen sonderbaren Charakter heraus. Die wichtigste Motivation für Christian, Friedrich V. von der Pfalz zu unterstützen, war seine unbändige Verehrung für Friedrichs Gemahlin Elisabeth Stuart. Christian ließ seine Truppen Feldzeichen mitführen, auf denen der Spruch „Pour Dieu et pour elle“ (frz., Für Gott und für sie) zu lesen war, womit auf Elisabeth Stuart angespielt wurde. In der Schlacht trug Christian einen Handschuh von Elisabeth als Helmzier.
Eigentümlich war Christians Brauch, Städte und Dörfer, die sich auf seiner Route befanden, mit Drohbriefen über seine baldige Ankunft in Kenntnis zu setzen. Diese Briefe waren an sämtlichen Ecken angesengt und drohten mit „Feuer“ und „Blut“. Als Christian in der Schlacht von Fleurus schwer am linken Unterarm verletzt wurde, ließ er sich diesen einige Tage später in Gegenwart seiner Soldaten und unter Trommelwirbel amputieren, ohne dabei eine Gefühlsregung zu zeigen. In seinem Übermut ließ er seine spanischen Gegner über diesen Vorgang informieren und gab die Anfertigung einer Prothese, ähnlich der Eisernen Hand von Götz von Berlichingen, in Auftrag. Christian führte ein ausschweifendes Leben und gab häufig mit seiner angeblich starken Potenz an. Als er 1626 im Alter von 26 Jahren an einer schweren Krankheit verstarb, führte der dänische König Christian IV. dies auf seinen Lebenswandel zurück.
Ricarda Huch, eine andere große Dame der deutschsprachlichen Literatur, die die Personen des 30jährigen Krieges, deren Beweggründe und Charaktere intensiv studiert und schriftstellerisch eindrucksvoll gestaltet hat, bringt ihre Eindrücke über Christian von Braunschweig weniger romantisch auf den Punkt, wenn sie vermerkt: 
„Der ‚Tolle Christian‘ war überdies wohl geistig nicht ganz normal“.
   De Dulle Christian
   1. Für Geiseke lag de dulle Christian
En Biscop, duachen eisliken Mann.
De Stifter im schönen Lanne Westfalen,
Dei sollen iäm de Schulden betahlen.

2. De Düörper und Städte verbrannt up sein Wort,
Ringsum de Kleinodien klein un kuort.
Män Geiseke, dat kleine, wogede te trotzen
Mit seinen Müren un Torens te protzen.

3. Bür de Pote sat Christian am Dullentisk
Un Lät sik bringen Broen un Fisk;
Hei bliekede un bölkede iäwer de Moten
Nit iut nau in wußten do de Saldoten.

4. Dobi saup hei diän Wessewein
Seo unmanierlik as en Swein,
Et dansten nür iäm verlaupne Weiwer
kium dat en himbden hadden de Leiwer.

5. Up einmol: bautz! da gaft em Luak
In Disk un Decke, un kerls un kuat,
Dei flaugen iäwer Eck un laggen am Grunne
Rau eh se’t wußten, be…

6. De Dulle sprank up un knuwelde de Fiust,
Rir lag

entnommen „Heimatblätter“ (78. Jahrgang/Folge 7), Beilage zum „Patriot“ und zur Geseker Zeitung 1998