Warum Hans Peter Busch auch dieses eher schwierige Thema in seine Arbeit aufnahm? „Weil mir das wichtig erschien“, sagt er. Außerdem sei die Quellenlage sehr gut. Darüber hinaus war es dem ehemaligen Archivar ein Anliegen, sich einem lokalhistorischen Thema zu widmen. Da kam es ihm gerade recht, dass auch sein betreuender Professor bevorzugt regionalgeschichtliche Themen vergab.
Während des gesamten 19. Jahrhunderts sei es zwischen den Geseker Juden und der Bruderschaft zu Spannungen gekommen, beginnt Buschs Aufsatz, der übrigens in voller Länge auf der Internetseite der Schützen nachzulesen ist. Die Ursachen seien letztendlich nicht lückenlos zu klären, merkt der ehemalige Archivar an – „zumal die entsprechenden Akten im Stadtarchiv seit einigen Jahren fehlen“. Fest steht jedoch, dass die antijüdischen Ausschreitungen zwar nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Bruderschaft standen, aber dennoch die Schützenfeste in den Jahren 1844 und 1845 beeinflussten.
Erste Auseinandersetzungen gab es Busch zufolge aber bereits Anfang desselben Jahrhunderts. Weil das Rathaus baufällig war, konnten die Schützen dort nicht mehr feiern und suchten nach einem alternativen Platz. Dabei fiel die Wahl ausgerechnet auf den Schützenhagen am Steintor.
Zwar wurde dieser zuvor schon für Schießübungen genutzt, schreibt der ehemalige Sebastianer-Archivar. Andererseits lag der Hagen aber auch in unmittelbarer Nähe des jüdischen Friedhofs. Isaac Goldschmidt als Vorsteher der Gemeinde und der Rabbiner Hirsch Cohen fürchteten, dass der Platz durch das Treiben der Schützen entweiht würde. Obwohl das eigentliche Fest in einiger Entfernung zu den Gräbern stattfinden sollte, verbot es der damalige Landrat.
Die Sebastianer hielten dort letztlich trotzdem ihr Scheibenschießen ab, verlegten den Tanz aber in einen anderen Saal des Rathauses. Die Folge der Querelen waren antijüdische Kundgebungen. „Der antisemtische Schmähruf ‚Hep, hep‘ wurde laut und von der Musik ein sogenannter Judenwalzer intoniert […], der als Provokation empfunden wurde“, schreibt Busch.
Dass die Bruderschaft Juden über weite Strecken als Mitglieder ausschloss, besserte das Verhältnis untereinander auch nicht gerade. Als 1848 vier Geseker Juden einen Antrag auf Aufnahme in den Verein stellten, lehnte dies der Vorstand mehrheitlich ab. „Doch schon einige Jahre später finden sich in den Protokollen die Namen einzelner Juden, die in den Verein aufgenommen wurde“, merkt Hans Peter Busch an.
Gleichwohl legte die Bruderschaft 1853 fest, dass „wenn ein Auswärtiger oder Israelit den Vogel abschießt, soll der die Königswürde bekommen, der nach ihm auf der Liste des Feldwebels steht“. Als Begründung führte der Vorstand an, dass das Königsschild mit christlichen Bildern und Symbolen geschmückt war – und das könne kein Jude tragen.
Zwar revidierte die Bruderschaft den Beschluss schon wenige Wochen später, führte ihn aber bereits 1858 wieder ein. Das Verhältnis blieb also angespannt.
Den Höhepunkt erreichten die Streitigkeiten im Jahr 1844. Das Verschwinden eines zum katholischen Glauben übergetretenen Kaufmannssohnes führte zu dem Gerücht, „dass dieser Bernhard Löwenbach mit Gewalt zu einem jüdischen Gelehrten gebracht worden sei, um dort zu seinem alten Glauben zurück gewonnen zu werden“. Dass der Junge schließlich nach Geseke zurückgebracht wurde, änderte nichts an den darauffolgenden Ausschreitungen. Unglücklicherweise wollten die Schützen genau zu dieser Zeit ihr Fest feiern.
Trotz Patrouillen kam es in dieser Zeit zu „größeren Sachbeschädigungen, obwohl die Polizeistunde auf zehn Uhr festgelegt worden war“.
Das wiederum schaute sich der Regierungspräsident nicht länger an. Er verbat das Fest von 1845 – unter anderem, weil Früchte in den Gärten der Juden zerstört worden waren. Die Schützen legten daraufhin Protest ein. Die Bevölkerung bezichtigte die Juden „den Gesecker Bürgern die letzte Freude zu rauben“. Die Beschwerden – die Bruderschaft wandte sich sogar an das Ministerium des Innern und den preußischen König – nützten letztlich nichts. Das Fest war und blieb verboten.
Serie
Seit mindestens leben Juden in Deutschland. Anlässlich des bundesweit ausgerufenen Gedenkjahrs haben auch die einzelnen Lokalredaktionen vor Ort nach Spuren jüdischen Lebens gesucht und in Archiven und Museen gestöbert, mit und Künstlern gesprochen und sind dabei auf interessante Persönlichkeiten, Ereignisse und Geschichten rund um das jüdische Leben gestoßen.
Allgemeine antijüdische Stimmung
Das schwierige Verhältnis zu den Juden betraf offenbar nicht speziell den Schützenverein, sondern die . „Immerhin war es 1819 im Zusammenhang mit den so genannten Hepp-Hepp-Krawallen […] auch in Westfalen […] zu antijüdischen Ausschreitungen gekommen“, merkt Hans Peter Busch an. Diese hätten sich 1833 und 1844/45 in Geseke und auch in wiederholt. „Häufig griff das Militär ein, freilich weniger zum Schutze der Juden als vielmehr um die öffentliche Ordnung zu sichern.“ Darüber hinaus waren jüdische Eltern gemäß einer Verordnung vom 8. Mai 1817 verpflichtet, ihre Kinder einzuschulen und Schulgeld zu zahlen. Ihnen wurde untersagt, ihren Nachwuchs anzuvertrauen, da diese „so wenig nach ihrem sittlichen Charakter als nach ihrer Geschicklichkeit zu Bildnern der Jugend geeignet“ seien.
In der Nähe des damaligen Judenfriedhofs am Geseker Steintor wollten die Schützen im 19. Jahrhundert ihr Fest feiern. Das kam bei dem Rabbiner gar nicht gut an. Foto: Dietz
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