Kleinodien

Die Kleinodien der Geseker St. Sebastianus-Schützenbruderschaft

 

von Dr. Hermann Hinteler

 

Allerorts sind die sog. „Kleinodien“ der Stolz der Schützengesellschaften. Es ist nicht ganz richtig, mit Kleinodien nur die Königsinsignien zu bezeichnen. Urkundlich ist schon aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts bekannt, dass in Geseke die beiden Groß-Scheffer alle Sonntage Kleinodien beschaffen mussten. Nach unserer heutigen Ausdrucksweise wurden sie als Preise ausgesetzt, wenn „im Schießen ein Exercitium gehalten werden sollte“ oder „beim Schießen und Üben in die Scheiben“. Als Kleinodien werden genannt zinnerne Becken oder z.B. eine Butterschüssel. Durch einen glücklichen Umstand blieben bis heute silberne Löffel erhalten (jetzt Museum), die ebenfalls als Preise ausgesetzt worden waren.

 

Das Geseker Königskleinod gehört zu den bedeutendsten in Westfalen. Die Mittelfigur stammt aus dem Jahr 1501. Nach einem Diebstahl des Schildes und der glücklichen Wiederbeschaffung wurde eine Kopie angefertigt und das Original sicher verwahrt. Auch wenn der Materialwert gering ist, besitzt das Kleinod doch eine hohe ideelle Bedeutung für die Bruderschaft.

 

Unter den Kleinodien verdient der Königsschmuck das größte Interesse, in Geseke von ehrwürdigem Alter und großer kunstgeschichtlicher Bedeutung. Die figürliche Darstellung stammt aus dem Jahre 1501.

 

In der Mitte des Schildes ist dargestellt – silbergetrieben und fast vollplastisch – ein jugendlicher Ritter im Harnisch, den lockigen Kopf unbehelmt. Unter seinen gepanzerten Füßen ein Drache oder Dämon, dem er mit der linken Hand eine Lanze in den Schlund stößt. Seine rechte – auch beide Hände werden durch Panzerhandschuhe geschützt – hält hocherhoben ein großes Kampfschwert, einen „Bihänder“. Am Gurt rechts ein Kurzschwert in einer Scheide. Die Figur, die Reste einer Feuervergoldung zeigt, wirkt trotz der schweren Waffen ausgesprochen graziös. Mit Leichtigkeit schwingt sie das fast körperlange Schwert.

 

Die kartuschenähnliche, ebenfalls silbergetriebene, barocke Umrandung wurde später beigefügt. Es ist oft von der „Reparierung der Königskleinodien“ die Rede, so z.B. 1608, zuletzt 1755. Oberhalb der Ritterfigur ein Medaillon mit der gravierten Darstellung von St. Petrus, der die Schlüssel und das Wappen von Geseke hält. Am unteren Rande des Schildes Beschauzeichen, an den seitlichen Rändern mehrere vernietete Öffnungen. Hier waren früher die sog. Pendalen angebracht. Der Schild wird getragen an schwerer Silberkette.

 

Wen stellt die ritterliche Figur nun dar? Mit Bestimmtheit nicht St. Sebastian, der ganz andere Attribute hat. Ehestens hat sie Ähnlichkeit mit St. Michael oder St. Georg.

 

Zur Deutung muss zunächst die lateinische Inschrift auf der Rückseite herangezogen werden. Sie lautet deutsch: „Die Insignien des Petrus und Cyriakus, kürzlich wiedergeboren (ausgebessert), blühen wieder auf. Blühen und bleiben möge damit die geschmückte Schar“, zum anderen wird auf folgende Tatsachen hingewiesen: Graf Hahold gründete 946 in Geseke das Kanonissenstift, das Reliquien des Hl. Cyriakus erhielt und damit zum ältesten Zentrum des Cyriakus-Kultes in Westfalen wurde (Cyriakus-Schrein, Cyriakus-Prozession, Cyriakus-Hymnus. Auch der Name Cyriakus war in Geseke früher sehr häufig, meist in der Verkürzung „Jakus“ oder „Jaks“). In einer Urkunde von 952 wird neben der Hl. Maria auch ausdrücklich St. Cyriakus als Patron der Stiftskirche genannt. St. Cyriakus wurde im Laufe der Zeit auch zum Patron der Stadt Geseke, obwohl der „offizielle“ Stadtpatron St. Petrus war, dem die Stadtkirche geweiht ist. (Auf allen Stadtsiegeln ist immer St. Petrus dargestellt).

 

Wie sehr Cyriakus zum Stadtpatron wurde, erhärtet eine Geseker Sage. Während eines Krieges zwischen Kurköln und dem Hochstift Paderborn machten 1415 die Feinde einen Einfall in die Geseker Gemarkung. In dieser großen Bedrängnis kam St. Cyriakus auf Bitten der Geseker seiner Stadt zu Hilfe als gewappneter Ritter, in silberner Rüstung und mit flammendem Schwert auf weißem Ross. Es gibt verschiedene Darstellungen des Hl. Cyriakus in Geseke (Stiftskirche, Museum), immer in Ritterrüstung, einen Lindwurm bzw. Dämon bekämpfend.

 

Bei Kenntnis dieser Sage und Tatsachen kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Ritter auf dem Königsschild St. Cyriakus darstellt.

 

Die kleineren Schilder, die früher an dem Königsschild hingen (aus den Jahren 1765, 1768 u.a.), sind leider in den Nachkriegswirren verschwunden. Erhalten blieb ein „Christianstaler“. Als Christian von Braunschweig den Paderborner Liborius-Schrein geraubt hatte, ließ er ihn einschmelzen und Medaillen daraus prägen mit der Inschrift: „Gottes Freund, der Pfaffen Feind“.

 

Seit 1808 ist es in Geseke üblich, auch dem zweitbesten Schützen beim Königsschießen einen Preis zuzubilligen, seit 1830 heißt dieser glückliche Schütze „Kronkönig“ (Stellvertreter des Königs), weil er dem Vogel die Krone abgeschossen hatte. Im Festzug marschiert er der zweiten Hofe voran. Der Kronkönig trägt silberne Insignien, die aus dem Jahre 1790 stammen.

 

In einem großen Medaillon hält St. Petrus einen Schild mit dem Geseker Wappen. Die vergoldete Krone und der silberne Strahlenkranz sind wahrscheinlich spätere Zutaten. Hinter dem Kronkönigsschild eine lateinische Inschrift. Auf deutsch: „O, ihr heiligen und lieben Schutzpatrone Petrus, Paulus und Cyriakus! Schützt die Geseker Kameraden (SODALES) und seid Mittler für sie und die Vaterstadt“. (2004 wurde eine Kopie angefertigt und geweiht, die seither vom Kronkönig getragen wird.)

 

Es fällt auf, dass bei den Kleinodien der St. Sebastianus-Schützenbruderschaft immer der Name St. Cyriakus auftaucht, der Hl. Sebastian aber nicht angerufen wird.

 

Das Schild des Kronkönigs hat wie das Königskleinod einen besonderen Stellenwert für die Schützenbruderschaft und ist auch ein Symbol für die ungebrochene Schützentradition in Geseke.

Königsschild

Kronkönigsschild

(entnommen der Festzeitschrift zum 575-jährigen Jubiläum.)