Festrede 1908

des Schützenbruders Postsekretär Franz Rieländer,
gehalten beim Königsschießen zu Geseke am 4. Juli 1908

 

Liebe Schützenbrüder!

Anlässlich der Wiederkehr der Feier unseres Schützenfestes hier unter den Schützenbannern versammelt, uns herzlich begrüßend, rufen wir mit überströmender Begeisterung aus: Seid willkommen ihr schönen Tage des Schützenfestes, sei gegrüßt du Schützenfest an heimatlicher Stätte! Wozu diese Freude, diese Begeisterung; was ist unser Schützenfest? Lassen wir die alten Sitten, die alten Gebräuche reden und verweilen wir einige Augenblicke beim Beginn des Festes. Welch‘ erhabene Gedanken steigen in uns auf, wie hoch schlagen die Wellen unserer Empfindungen, wenn die schmucken Schützen in ihrer kleidsamen Tracht unter Trommelknall und Trompetenschall untermischt mit dem feierlichen Glockengeläute der altehrwürdigen Stadtkirche zur Kirche, zur Schützenmesse wandern. Ist so unser Schützenfest wohl ein gekünsteltes, ein Modefest zu nennen; Nein! Unser Schützenfest ist ein Naturfest, mit uns Gesekern von Kindsbeinen an aufs innigste verwachsen; es ist ein volkstümliches Heimatsfest, das die Pflege des Bürgertums, den Hort der Bürgertugenden auf seine Fahne geschrieben hat; es ist ein von unsern Vorfahren uns überliefertes Bürgerschützenfest, aufgebaut auf alte Traditionen zur Erinnerung an die heldenmütige Geseker Verteidigung in schwer bedrängter Zeit; es hat historische Bedeutung, historische Geltung.

Wir befinden uns hier auf historischem Boden, auf dem Schauplatze denkwürdiger Begebenheiten, in der Nähe des Tollentisches, wo der tolle Christian mit seinen gewaltigen Kriegern den starken, wuchtigen Arm, das sichere, scharfe Auge unserer Vorfahren hat fühlen müssen. Hier fand er den verdienten Lohn seines Übermuts, hier wurde ihm die Schranke gesetzt: „Bis hierher und nicht weiter“, indem ihm in Form einer wohlgezielten Kanonenkugel ein nach Pulver riechender Speisezettel gereicht wurde, dass ihm der weitere Appetit an Geseke verging. Hat sich nun auch seitdem vieles geändert und sich notwendigerweise der Neuzeit anpassen müssen; sind auch allmählich verschwunden die alten Geseker festen Tore, und die alten Verteidigungs-Festungswerke dieser echten, unverwüstlichen, uralten kurkölnischen Ecksteinsäule – wie ich Geseke nennen darf – ein Wahrzeichen der alten Zeit hat jedoch teilweise die Jahrhunderte überdauert, es ist der sich noch jetzt in seinem Fundamente keck an die Brüstung lehnende Pulver-, Hexen- oder Bürgerturm. Geblieben ist den Gesekern ferner die eigene Kraft, Entschlossenheit, Tapferkeit, Ausdauer, der Mannesmut, das Gefühl der Zusammengehörigkeit und – die Liebe zur Heimat.

Ja, solange noch ein Fünkchen Heimatsliebe und der Sinn für Natur und Einfalt in uns rege bleibt und nicht eitler Weltsinn, Habsucht und andere bösen Leidenschaften unser Herz verkehrt und die Brust vergiftet haben, wird selbst im Greisenalter unser Blut noch schneller und wärmer wallen, unser Herz lauter pochen bei den süßen, teuren Heimatsklängen.

Wir haben das Hochgefühl Geseker zu sein, wir sind stolz auf unser Geseke; und mit demselben lodernden nationalen Selbstgefühle, mit dem jeder römische Bürger von sich sagen durfte: „Ich bin ein Römer!“ sagen wir: „Ich bin ein Geseker, furchtlos und treu, mit offenem und geradem Sinn!“ Möge nun unser Schützenfest in althergebrachter Weise gefeiert werden, möge es eine Quelle reinster Freuden sein und alle Schützenbrüder in Liebe, Treue, Freundschaft, Eintracht und Brüderlichkeit vereinen, getreu dem alten, schönen Wahlspruch: „Einer für alle, alle für einen!“. 

In diesem Sinne bitte ich mit mir auf Adlersschwingen, auf Schwingen der Freude und Begeisterung einzustimmen in den Hurraruf: „Unser Geseker Schützenfest, unsere liebe Vaterstadt Geseke: „Hurra!“.