Wer dabei war, wird diese Szene wohl niemals vergessen: Es war im Jahr 1971, als Bartsch Paul und Linnewebers Mieze während des Sebastianer-Schützenfests auf dem Rücken eines Schimmels in die Halle geritten kamen. Ein Schütze hatte geistesgegenwärtig den Auftritt gefilmt, sonst würde sich kaum noch jemand daran erinnern. Diese Schätze möchte die Bruderschaft weiter bewahren.

„Jeder Schützenbruder kennt die Geschichte der alten Sebastianer-Filme, die von Ehrenmajor Antonius Bartscher sicher verwahrt und dann zu neuem Leben erweckt wurden“, so der neue Archivar der Bruderschaft Jan Eiserich. Es handele sich hierbei zweifelsohne um ein Stück Zeitgeschichte, welches nicht nur für die Bruderschaft, sondern auch eine sozialhistorische Bedeutung besitzt. Die vier Filmrollen wurden deshalb auch in das Bundesarchiv aufgenommen. Sie sind zudem eine der ältesten Filmquellen Westfalens.

„Macht man nun einen Zeitsprung zu modernerem Filmmaterial, landet man bei den noch gut bekannten, aber von der Technik überholten VHS-Kassetten“, so Eiserich. Statt auf Zelluloid wurden hier die Bilder (und erstmals auch der Ton) auf Magnetbänder gespeichert. Viele Geseker Familien werden noch einige der „alten Schätzchen“ zu Hause haben. „Auch hier handelt es sich mittlerweile um historisches Material, welches bewahrt werden sollte“, verdeutlicht der Archivar. Was aber viele nicht wissen: Die VHS-Kassetten haben nur eine Erhaltungsdauer von rund 20 bis 25 Jahren. Danach kann es zu technischen Problemen kommen. „Die Bänder verbacken und lassen sich nicht mehr abspielen. Oder die Qualität der Aufnahme wird so schlecht, dass man sie sich einfach nicht mehr ansehen mag.“

Damit wertvolle Artefakte nicht verloren gehen, hat Eiserich im letzten Jahr angefangen, etwas für die Erhaltung der Filmschätze zu unternehmen. Ein heißer Tipp kam dabei von der Geseker Stadtarchivarin Evelyn Richter, die den Sebastianern den Kontakt mit dem LWL-Medienzentrum ans Herz legte. Dort erfuhren die Schützen alles, was man über die optimale Aufarbeitung und Digitalisierung von Filmmaterial wissen muss. Darum begann Eiserich, die vorliegenden VHS-Kassetten zu digitalisieren und für das Filmarchiv der Bruderschaft zu sichern.

Erster Schritt ist das vorsichtige Durchspulen der Bänder – ein Riss hätte fatale Wirkung. Mit Hilfe eines so genannten „Grabbers“ und eines VHS-Players wird dann der Film auf die Festplatte eines PCs überspielt. „Das erfolgt eins zu eins: Jede Minute Film muss abgespielt und aufgezeichnet werden“, erklärt der Archivar. Davon wird die sogenannte Archivversion erstellt. Diese wird nicht mehr verändert. Alle Bildfehler werden mit archiviert. „Wir haben eine Kassette, die beginnt mit Clearasil-Werbung. Die bleibt auch drauf“, lacht Eiserich.

Um den Film aufzuarbeiten, wird eine Arbeitskopie angefertigt. Diese wird mit Hilfe einer speziellen Software aufpoliert und zum Beispiel Bildrauschen entfernt. „Aufgearbeitet besitzen die Filme eine gute Bildqualität, sodass man sie zum Beispiel auch auf Leinwand zeigen kann“, freut er sich über das Ergebnis. Wobei allein dieser Prozess etliche Stunden Arbeit verschlingt. Mittlerweile hat er über 80 Stunden Filmmaterial über die Bruderschaft digitalisiert – „und das sind mehrere hundert Gigabyte“. Damit konnten bislang viele wichtige Momente festhalten werden. „Es wäre einfach zu schade, diese Filmschätzchen unbeachtet für die Nachwelt verlorengehen zu lassen“, betont Eiserich. Besonders interessant sind die Filmausschnitte aus den 1950er bzw. 1960er Jahren. Insgesamt reicht die Spannweite vom Schnadgang 1940 bis in das Jahr 2003, die teilweise bereits von Film auf VHS übertragen wurden und nun erneut gerettet werden müssen. Dabei spielt es keine Rolle, welche Veranstaltung die Filme zeigen. Winterball, Ausflüge, Schießwettbewerbe der Jungschützen: Alles ist interessant. „Ich weiß jetzt nicht, wie viel Arbeit ich mir aufhalse“, sagt er.

Von Interesse ist auch die korrekte Datierung der Aufnahmen. Ist die Hülle nicht beschriftet, stellt sich rasch die Frage nach dem Filmdatum. „Da hilft die Königsliste“, weiß Eiserich aus Erfahrung. Das amtierende Königspaar stand immer schon im Mittelpunkt des Geschehens und wurde entsprechend gerne gefilmt. Wenn die Majestäten gut zu erkennen sind, ist die Datierung meistens kein Problem mehr.

Gespeichert werden die Dateien schließlich auf einer externen Festplatte mit einer Kapazität von zwei Terabyte. Eine kleinere SSD-Festplatte ist für den mobilen Gebrauch vorgesehen, „mit der gehe ich rum“, so Eiserich. Auf diesen Speichern befindet sich bereits der gesamte Foto-Fundus der Sebastianer: 65 000 Bilder, sauber geordnet und katalogisiert. Und gewiss sind da auch Bartsch Paul und Linnewebers Mieze zu finden – dieses Mal allerdings ordentlich in Reih’ und Glied und nicht zu zweit auf einem Pferderücken.

„Meldet euch!“

Filmaufnahmen von Veranstaltungen der Sebastianer „sind in unserer medialen Welt absolut wichtige Dokumente von und für unsere Bruderschaft, die es zu erhalten gilt. Deshalb hier unsere Bitte: Wer noch VHS-Kassetten von Schützenfesten oder anderen Anlässen um unsere Bruderschaft hat: meldet euch!“, so Archivar Jan Eiserich. „Wir werden versuchen, sie zu digitalisieren und zu archivieren. Wir stellen euch natürlich auch eine überarbeitete Fassung eures Films zur Verfügung“. Ansprechpartner sind alle Offiziere der Sebastianer.

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