Lobetag
„Preis unserm Gott, der diese Stadt…“ Der Lobetag in Geseke
von Hans Peter Busch
Der Dienstag vor Jubilate (d.h. der dritte Sonntag nach Ostern fiel im Jahr 1622 auf den 12. April). Dieser Tag wurde in allen Jahren danach bis heute in Geseke hoch gehalten und das hat seinen guten Grund: An diesem Tag ist „TOLLENTAG“ in Geseke, denn an diesem Tag brach Christian von Braunschweig, genannt der „Tolle Christian“, die Belagerung der Stadt ab und zog sich vor den heranrückenden kaiserlichen Truppen zurück.
Der tolle Christian war Anfang des Jahres 1622 bereits mit einer kleineren Truppeneinheit in Geseke eingerückt, nachdem er bereits Lippstadt besetzt hatte. Diese Landsknechte mussten aber die Stadt räumen, weil es dem kaiserlichen Obersten Dietrich Othmar von Erwitte mit seinen Truppen gelungen war, die besetzte Stadt im Handstreich zurückzuerobern. Dietrich Othmar richtete sich dann zur Verteidigung der Stadt ein und mit Hilfe der Geseker Bürger konnte die achttägige Belagerung überstanden werden.
Als Dank für den glückhaften Ausgang, den die Geseker auf die Hilfe Gottes zurückführten, gelobten Rat und Bürgerschaft die Abhaltung einer jährlichen Prozession, die um die Wälle der Stadt führen an drei Toren, die besonders bestürmt worden waren, Station mit Festpredigt und Segen halten sollte. Außerdem wurde ein von Stadtpfarrer Bernhard Rogener verfasstes Lobetagsgebet gesprochen und das Lobetagslied gesungen, das ursprünglich dreiundzwanzig Strophen umfasste und heute, nach einer Anpassung an die hochdeutsche Sprache und heutige Ausdrucksweise, noch zehn Strophen hat. An jeder Station wurde und wird der Lobetagssegen gespendet und der dazugehörende Hymnus angestimmt.
An den drei Toren (Steintor, Lüdisches Tor und Viehtor) wurden früher Böller gezündet oder die kleinen vorhandenen Kanonen abgefeuert und die Prozession wurde u.a. immer von den Schützen begleitet, da diese sich bei der Belagerung unter Fähnrich Alhard Brandt besonders ausgezeichnet hatten.
Einiges hat sich seit der Auslobung geändert: 1722 z.B. war es der Pfarrer der Stadtkirche, der die geistlichen Vorbemerkungen für die Prozession traf und der Stadtrat musste dann „nachziehen“, um seinen Verpflichtungen zu entsprechen. So wird die Prozession seit 1770 nicht mehr am Dienstag, sondern am darauf folgenden dritten Sonntag nach Ostern gehalten. Der Rat der Stadt Geseke, der als Vertretung der Bürgerschaft die Prozession gelobt hatte, ist auch nicht mehr komplett vertreten und der dunkle Anzug und der Zylinder von Bürgermeister und Rat, an die ich mich noch erinnern kann, bleiben im Schrank hängen.
Gepredigt wird auch nicht mehr an allen drei Stationen – übrigens als ein Zeichen für die göttliche Dreifaltigkeit gedeutet, die besonders verehrt wird und der das vorausgehende Levitenamt in der Stiftskirche mit besonderer kirchlicher Genehmigung gewidmet ist. Auch wird nicht mehr ausdrücklich der Toten bei dieser Belagerung und an Dietrich Othmar von Erwitte gedacht, wie es ursprünglichen Intentionen entsprach.
Das muss vielleicht auch nicht mehr so sein. Wichtiger scheint mir, dass Geseker in Erinnerung rufen, dass Not, Elend und Bedrückung ständig wiederkehren können, dass es nicht nur in Kriegszeiten auf Einigkeit, nachbarschaftliches Zusammenstehen und gegenseitiger Hilfeleistung ankommt. Und ob man das nun als Befolgung von christlichen Tugenden oder als Bürgersinn in einer Stadt bezeichnet, der Grundgedanke ist der gleiche, und wenn die alljährliche Lobetagsprozession ein Datum ist, das daran erinnert und dazu ermahnt, ist weithin viel erreicht.
1. Preis unserm Gott, der diese Stadt
so gnädiglich beschirmet hat,
im ewig unvergessnen Jahr,
da sie bedrängt vom Feinde war!
Ref. Heilig, heilig, heilig ist Gott
er, der Herrgott Sabaoth,
der uns geholfen in unserer Not,
der uns geholfen in unserer Not!
2. Es kam der Feind gar tapfer an,
die Stadt zu stürmen war sein Plan.
Wär’s ihm geglückt: ob seiner Wut
geflossen wär viel Zähr und Blut. Heilig . . .
3. Der tapfere Oberst in der Stadt,
die Bürger fromm ermahnet hat
sprach ihnen Mut und Hoffnung ein,
Gott werde selbst ihr Helfer sein. Heilig . . .
4. Darauf sie griffen zu der Wehr,
Gott war für sie, ihr Trost war er,
er hielt mit ihnen gute Wacht,
er stritt mit ihnen in der Schlacht. Heilig . . .
5. Darob dem Feind ein Schrecken kam,
die Flucht am achten Tag er nahm,
und zog hinweg in aller Eil,
Verdruss und Schande war sein Teil, Heilig . . .
6. Der Herr hat so die Stadt erlöst
und Trost den Herzen eingeflößt
in dieser österlichen Zeit.
Ihm sei’s gedankt in Ewigkeit. Heilig . . .
7. Halt von uns fürder Krieg und Brand
allmächt’ger Gott, mit gnäd’ger Hand;
gib Fried‘ und Wohlfahrt dieser Stadt,
die einst dein Arm errettet hat. Heilig . . .
8. Maria, Mutter Gottes hehr,
gern bringt die Stadt dir Lieb‘ und Ehr‘,
Bitt für uns Jesum, deinen Sohn,
bring unser Flehn vor seinen Thron, Heilig . . .
9. Cyriakus, du Gottesheld,
Sankt Petrus, der die Schlüssel hält,
seid unser Helfer, unser Hort,
beschützt und segnet diesen Ort. Heilig . . .
10. O heiligste Dreifaltigkeit,
sei hochgelobt in Ewigkeit;
mit deiner Huld bleib stets uns nah;
Alleluja, Allelujal. Heilig . . .
Der folgend abgedruckte Text entstammt dem Privilegien-, Statuten- und Gedenkbuch der Stadt Geseke von 1697. Diese dem Rat der Stadt gewidmete Privatarbeit, eine Zusammenstellung von Abschriften und Originalschriftstücken des kaiserlichen Notars und Gografen zu Salzkotten, Matthias Engers, enthält die älteste erhaltene Fassung des Lobetagsliedes.
Ein schön geistlich lob- und danckliedt der stadt Geseke wegen erhaltung deroselben nach einer scharffer belägerung, welche geschehen im jahr 1622 feria tertia post misericordiam domin [12. April 1622]
trist It Ia VertI Coeplt In ga VDIVM
[= Die Trauer beginnt sich in Freude zu verwandeln]
(Das Chronogramm ergibt die Zahl 1622.)
1. Lob ehr und preis sey unserem Gott,
der diese stadt beschtzet hatt;
sechszehnhundert 22 wahr das jahr,
als wir vom feindt belagert warn.
Heilig, heilig, heilig ist Gott
der mächtige Herr Gott Saboth,
der uns beystanden in unser noth.
2. Wir dancken Gott von hertzen grundt
und loben ihn mitt unserem mundt,
preisen den heiligen nahmen sein
und ruffen alle groß und klein:
Heilig, heilig, heilig …
3. Der Herr unser vest und zuflucht wahr,
als wir wahren umringet gar.
Unser trost, hoffnung auff Gott allein
soll alle zeit gesetzet sein.
Heilig, heilig, heilig …
4. Der feindt kahm dahmals dapffer an,
die stadt zu sturmen sich unternahm,
zu vergießen viell unschuldiges bluth
wahr sein meynung, intent und muth.
Heilig, heilig, heilig …
5. Im himmell Gott nicht leiden wolt,
das solche stadt verderben solt,
gab balt kälte, regen und windt,
das die feindt verkuemmern geschwindt.
Heilig, heilig, heilig …
6. Der obrister Erwitt in der stadt
Dietherich Otthmar den nahmen hatt,
vermahnt, soldaten und burger fein,
das sie sillen gehertzigt sein.
Heilig, heilig, heilig …
7. Gott der Herr würde bey uns stahn,
die ihm vertrawen nicht verlahn,
mitt seinen engelen gewaltiglich
die stadt verthetign sichtbarlich.
Heilig, heilig, heilig …
8. Darauff sie griffen zu der wehr,
ihr einiger trost wahr Gott der Herr.
Er stundt ihn bey, es hulft ihne Gott
dem feindt zu großem schimpff und spott.
Heilig, heilig, heilig …
9. Sie wurden geschoßen und niedergelagt
durch die gewaltige gottesmacht,
fur den pforten seint plibben toodt,
vergoßen wurde desfeindts bluth
Heilig, heilig, heilig …
10. Daruber ein schreck dem feindt ankahm
am achten tag [=12. April] die flucht annahm,
zog dahin weg, verließ die stadt
wie es dan Gott gefallen hat.
Heilig, heilig, heilig …
11. Also seyn wir nun erlöset
errettet auch und getröstet
zu dieser oesterlichtn zeitt,
das dancken wir Gott in ewigkeit.
Heilig, heilig, heilig …
12. Wir bitten dich, allmechtiger Gott,
du wolst bewahren diese stadt,
du wolst oh Gott ihr schirme sein
mit deinen lieben engelein.
Heilig, heilig, heilig …
13. Vergib uns, Herr, unsere mißenthat,
wendt von uns ab dein ungenadt,
vor pestilentz und theurer zeit
behuet uns, Herr, vor haß und neidt.
Heilig, heilig, heilig …
14. O Herr, wolst nicht unterlahn,
mitt deinen augen zu sehen ahn
unß, dein volck, alle ingemein,
die durch dein bluth erlöset sein.
Heilig, heilig, heilig …
15. Dein ohren hören, Herr waß wir klagen,
stärck unß, Herr, daß wir nicht verzagen,
nim auff unser gebeth, verlas uns nicht,
hilff, Gott, wan uns ungluckansiht.
Heilig, heilig, heilig …
16. Behuet uns, Herr, vor kriegh und brandt,
streck uber uns aus dein gottliche handt
beuet uns, Herr, vor allem leidt
von nun an bis in ewigkeit.
Heilig, heilig, heilig …
17. Maria, mutter Gottes schon,
bitt Gott vor uns im himmelsthron,
deinen lieben sohn Jesum Christ,
der von den toht erstanden ist.
Heilig, heilig, heilig …
18. Sanct Cyriac,
Gottes heiliger Sanct Petre,
himmelspfortener
das er alle zeit sey unbefahrt.
Heilig, heilig, heilig …
19. Ihr heiligen Gottes allzugleich,
die ihr seit in dem himmelreich,
bittet vor uns arm wurmelein,
das wir nicht mögen verlaßen sein.
Heilig, heilig, heilig …
20. Gott Vatter, Sohn und Heiliger Geist
hat dieser stadt groß gnadt beweist,
des dancken wir cum iubilo
singent gloria Altissimo.
Heilig, heilig, heilig …
21. Der Heyligen Dreyfaltigkeit
sey ehr und preis in ewigkeit
alleluia, alleluia,
gelobt sey Gott und Maria.
Heilig, heilig, heilig …
Auszug der Einladung zu 375 Jahren Lobetag vom Sonntag, den 20.04.1997