Die Schützen nach dem …

… Neuanfang von 1830

von Hans Peter Busch

 Das Ende der napoleonischen Zeit brachte für den ganzen westfälischen Raum einschneidende Änderungen. Nicht nur die veränderte politische Lage, Geseke kam nach seiner Zugehörigkeit zum kurkölnischen Herzogtum Westfalen und einem relativ kurzen Zwischenspiel unter hessisch-darmstädtischer Verwaltung zur preußischen Provinz Westfalen, sondern auch im wirtschaftlichen und geselligen Bereich änderte sich das Leben. Dietmar Sauermann führt dazu in seinem Aufsatz über das Schützenwesen aus: „Diese neuen gesellschaftlichen Verhältnissen und die neuen gesellschaftlichen und politischen Repräsentanten strebten nach einer angemessenen Darstellung ihres Selbstwertgefühls nach außen und suchten nach einer ihnen eigenen Form des Feierns. Hierzu bot sich das Schützenfest an, das von dem höfischen Zeremoniell nicht vereinnahmt worden war und das eine bürgerliche, fast demokratische, in jedem Fall aber basisnahe Darstellungsform der Herrschaft war. Diese überlieferte Festform wurde nun mit einem neuen Inhalt gefüllt.“ Die hier aufgezeigten Neutendenzen lassen sich auch für den Geseker Schützenverein und seine Mitglieder aufzeigen.

 

Dieser war nach einem letzten Höhepunkt anlässlich der Übernahme durch den hessisch-darmstädtischen Kommissar Stracker im Jahr 1803, für den die Schützen ein Spalier bildeten und Salut schossen, in seiner Bedeutung fast völlig zurückgegangen. Kennzeichen für den Rückgang war wie im übrigen Westfalen auch die fehlende Funktion der Schützen. Die Schutzfunktion für die Verteidigung der Stadt war schon frühzeitig in die Hände des Landesherrn übertragen worden. Auch für polizeiliche Dienste und repräsentative Aufgaben benötigte man die Schützen nicht mehr.

 

Erste Ansätze zu einer Neuorientierung kamen von den preußischen Behörden. Der Oberpräsident der Provinz Westfalen sah in den Schützenvereinen eine Pflegestätte heimatlicher Tradition und vaterländischer Gesinnung. In einer Verordnung über die Sicherung von Vogel- und Scheibenschießen fasste Vincke zusammen:

 

„Es ist zu wünschen, dass die alte löblich und unter Beachtung dieser Vorschriften unschädliche Übung des Scheiben- und Vogelschießens überall dort, wo solche stattgefunden hat, wieder auflebe und wo solche noch nicht war, neu eingeführt, auch solche Tage gewählt werden, welche die Erinnerung eines denkwürdigen, dem Orte, dem Lande oder dem Staate teueren Ereignisses heiligt.“

 

Doch schon bald wandelte sich die wohlwollende Einstellung der preußischen Behörden gegenüber den Schützenvereinen, da in der Praxis bei den Schützenfesten Vorfälle bekannt wurden, die beispielsweise den Lippstädter Landrat zum Einschreiten zwangen:

 

„In einer Gemeinde des hiesigen Kreises sind an dem Tage, wo das Vogelschießen gehalten wurde, Schlägereien unter jungen Leuten vorgefallen, wovon die Urheber nicht haben ausgemittelt werden können. Die hierbei sowohl von dem Herrn Pfarrer als Schultheißen erfolgten Ermahnungen haben nur augenblicklichen Eingang gefunden, indessen nicht vermocht, die erforderliche Ruhe wieder herzustellen. Die hochlöbliche Regierung hat daher auf meinen Antrag genehmigt, dass dieser Gemeinde, die ich nicht öffentlich nennen will, fürs nächste Jahr das Vogelschießen ganz untersagt worden ist, und in dem darauf folgenden Jahre es ganz meinem Ermessen überlassen bleibt, dieser Gemeinde das Fest wieder zu gestatten. Lippstadt, den 28. Dezember 1821“.

 

Die Ausschreitungen bei Schützenfesten sind auch Verhandlungsgegenstand des zweiten westfälischen Provinziallandtages geworden. Entgegen den Bestrebungen der Behörden, die die Feste aufs Äußerste einzuschränken versuchten, wollte der Provinziallandtag diese im bisherigen Umfange erhalten sehen. Allerdings wurden polizeiliche Bestimmungen gefordert, die die Ordnung sicherstellen sollten. Dementsprechend wurde von der Regierung in Arnsberg angeordnet, dass nur geschlossene Gesellschaften, die mit einem Statut versehen waren, Schützenfeste durchführen durften. In diese Zeit fiel auch in Geseke das Bemühen einiger Schützen, die alte Schützengesellschaft zu reformieren und den allgemeinen Verfall des Schützenwesens zu bekämpfen. Die Ereignisse des Jahres 1770 und der Folgezeit können bei Walter Wahle nachgelesen werden.

 

Auch eine offizielle Neugründung erzielte 1777 keine Besserung. Leesch schreibt:

 

„Aber auch die Neugründung von 1777 vermochte dem Schützenwesen keinen neuen Auftrieb zu geben; mit dem Verlust seiner alten Aufgaben war der Schützenbetrieb überflüssig und sinnlos geworden.“

 

Kennzeichnend für diese Zeit des Überganges waren eine Reihe von unerquicklichen Streitigkeiten, die sich an der Frage, wie das Fest gefeiert werden sollte, entzündeten. Beinahe wäre es zu einem endgültigen Auseinanderleben zwischen den verheirateten und den unverheirateten Schützen gekommen.

 

Eine Lösung der Streitigkeiten wurde ab 1828 hauptsächlich durch den Bürgermeister Schröder und den Rentmeister des Damenstiftes, Kinkel, angestrebt. Beide drängten auf Reformen und die Festsetzung verbindlicher Satzungen. Die neuen Statuten wurden durch einen Schützenausschuss aufgestellt, der von der Mitgliederversammlung am 5. Juli 1829 eingesetzt wurde.

 

Dieser Ausschuss konnte am 20. Oktober des gleichen Jahres die ausgearbeiteten Statuten vorlegen und mit dem versammelten Offizierskorps selbige beschließen. Diese Satzungen beginnen mit einem Vorwort, das noch einmal auf die Entstehungsgeschichte eingeht:

 

„In Erwägung: dass die bisher in Geseke bestandene Schützengesellschaft noch gar keine Statuten besaß, dass aber Statuten in einer solchen Gesellschaft zur Handhabung und Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung, und um das Schützenfest mit Anstand und Würde zu feiern, durchaus erforderlich sind, und ferner in Betracht: dass ohnehin die bisher bei dem hiesigen Schützenfeste beobachteten Gebräuche theils notwendig einer Reform bedürfen, theils aber als unpassend ganz aboliert werden müssen, sind durch das jetzige Gesecker Schützen-Offizier-Corps, und durch die Mitglieder des erwählten Schützen-Ausschusses daselbst für die Gesecker Schützengesellschaft folgende Statuten entworfen und aufgestellt worden: „Im Paragraph eins werden die Zielsetzungen beschrieben, die der neue Verein sich setzte: „a) anständiges, möglichst wenig kostspieliges Volksvergnügen, b) Erweckung, Belebung, Aufrechterhaltung des Ehrgefühls, c) Erhaltung, Befestigung resp. Wiederherstellung der gemeinschaftlichen Liebe, Einigkeit und guten Ordnung unter den Gesecker Bürger und Einwohner zur Begründung des Gemeinwohls.“

 

Die Schützengesellschaft hatte sich in ihrem Selbstverständnis an die Zeit angepasst. Die Bestimmungen versuchten auch, den Einschränkungen zur Aufrechterhaltung der Ordnung, die von den preußischen Behörden gefordert wurden, Rechnung zu tragen. Die Dauer des Festes wurde auf zwei aufeinander folgende Tage festgelegt und auf den 26. und 27. Juni terminiert. Diese Daten wurden gewählt, „da die Mitglieder größtenteils Ackerbau treiben, diese Zeit für sie am passendsten ist, und sie alsdann durch das Fest am wenigsten in unverschieblichen Geschäften gestört werden.“ Besondere Sorge galt dem Vogelschießen: „Auch werden bei dem Laden und Schießen die nöthigen Aufseher angeordnet, welche darauf zu sehen haben, dass die gehörige Ordnung beim Schießen beobachtet, und dass durch Nachlässigkeit und Unvorsichtigkeit kein Unglück angerichtet wird.“

 

Die Satzungsbestimmungen über die Organisation der Gesellschaft und des Schützenfestes hatten bis auf geringe Änderungen und Zusätze bis 1934 Bestand, auch sind im Ablauf des Festes in heutiger Zeit keine grundsätzlichen Änderungen mehr erfolgt, so dass eine breitere Darstellung der Vereinsstruktur und des Schützenfestes gerechtfertigt erscheint. Mitglied der Gesellschaft konnte jeder selbständige Einwohner Gesekes werden, der das 17. Lebensjahr erreicht hatte; auch Auswärtige konnten aufgenommen werden.

 

Die Mitglieder wählten in der Regel jährlich einen Schützenausschuss, der dann gemeinsam mit dem bestehenden Offizierskorps die neuen Offiziere benannte. Der Vorstand der Gesellschaft bestand aus diesen gewählten Offizieren, zu denen auch die Feldwebel gehörten. Allerdings mussten zu den Beratungen, die das Schützenwesen betrafen, die Mitglieder des Schützenausschusses hinzugezogen werden, die dann auch Stimmrecht hatten. Dieser Schützenausschuss findet sich heute in Form der Beisitzer wieder, von denen jeweils drei zu jeder Hofe gehören. Die Beisitzer sollen in der Regel erfahrene Schützenbrüder sein, die besonders auf die Traditionen der Bruderschaft zu achten haben.

 

Alle Beschlüsse im Vorstand wurden durch Stimmenmehrheit herbeigeführt. Besonders erwähnt ist, dass der jeweilige König automatisch Mitglied des Schützenausschusses war. Die Wahl zu einer Charge konnte von den Mitgliedern nicht ohne weiteres abgelehnt werden. Über die Zulässigkeit von triftigen Gründen entschied das Wahlgremium. Es wurde schon herausgestellt, dass die Schützengesellschaft hauptsächlich einen geselligen Charakter angenommen hatte. Deshalb nehmen die Bestimmungen über das Schützenfest einen breiten Raum ein. Die Uniformierung der Schützen entsprach weitgehend der gültigen Mode. Frackröcke mit weißen Hosen und runde Hüte (das sind Zylinder) waren für alle Schützen vorgeschrieben und bilden auch noch heute die Ausstattung der Schützen bei den Festen. Die Offiziere trugen (und tragen) eine Schärpe in den Farben weiß, grün und schwarz und ein Portepee, also ein Wolltroddel, wie er als Degenanhang in der preußischen Armee üblich war, in den gleichen Farben. Die Feldwebel und Unteroffiziere trugen als Zeichen ihrer Funktion eine Binde in gleicher Farbgebung um den linken Arm.

 

Interessant scheint es, dass in Geseke um 1830 die inoffiziellen Farben der preußischen Provinz Westfalen als Farben der Schützen gewählt wurden. Aus der Zeit vor 1830 findet sich im Geseker Heimatmuseum eine alte Fahne der Schützen, die grün-weiß-blau ist. Die „preußischen“ Farben wurden nicht nur für Schärpen und Fahnen verwandt, aus dem Jahr 1831 liegt eine Rechnung über die sechs hölzernen Leuchter vor, die grün, schwarz und weiß lackiert wurden. Die Reihenfolge der Farben ist schwarz-weiß-grün, nur bei Schärpen, Armbinden und dem Band um den Zylinder tauschen weiß und schwarz die Plätze, damit auf dem dunklen Untergrund des Frackes nicht der Eindruck entsteht, die Schärpe sei zweifarbig weiß-grün.

 

Zur Uniform gehörte auch ein Gewehr, das aber abgeschafft und durch die ungefährlichen Holzimitationen ersetzt wurde. Der genaue Zeitpunkt dieser Änderung ist nicht mehr festzustellen. Außer dem Gewehr trugen einige Schützen Hellebarden. Originale aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges sind im Heimatmuseum der Stadt erhalten, die Schützen benutzen bis heute Nachbildungen dieser Waffen, mit denen die Stadt bei Belagerungen wie der durch Christian von Braunschweig 1622 verteidigt wurde. Offiziere trugen Säbel oder Degen.

 

Wichtigster Bestandteil des Festes war das neu eingeführte Vogelschießen, dass das Schießen auf die Scheibe ablöste. Derjenige Schütze wurde König, der den Rest des Vogels abschoss. Er wurde mit den Insignien geschmückt und erhielt zwei silberne Löffel als Prämie. Eine zweite Prämie, zwei silberne Kaffeelöffel, erhielt der Schütze, dem es gelang, die Krone abzuschießen. Zepter- und Apfelkönige oder –Prinzen waren im Gegensatz zu vielen westfälischen Vereinen nicht bekannt.

 

Das Fest wurde auf einem freien Platz abgehalten, auf dem ein Zelt aufgebaut wurde. Das Zelttuch, 1830 neu angeschafft, konnte im folgenden Jahr an die Paderborner Schützen, die ihr erstes Fest feierten, entliehen werden. Auch andere Schützenvereine liehen das Zelt aus, wie aus den Rechnungen hervorgeht.

Die Verlegung des Festes war notwendig geworden, da das Rathaus auf dem Marktplatz, zuvor Ort des Festes, „alt und caduc“ geworden war. Eine wichtige Änderung betraf die Beschaffung des Bieres. Dieses wurde nicht mehr nach dem Einsammeln von Gerste selbst gebraut, sondern direkt angekauft. Der geplante Bierankauf für das Jahr 1848 führte zu einem Protest. In einem Brief an den Schützenvorstand beschwerten sich eine Reihe Geseker Wirte darüber, dass bayrisches Bier für das Fest angeschafft werden sollte. Die Geseker aber wären an Geseker Bier gewöhnt und die Wirte wären in der Lage, qualitativ gutes Bier zu liefern.

Die Musik wurde verdungen. Die zeitliche Beschränkung des Schützenfestes, zwei Tage waren nach der Satzung erlaubt, ist aber nicht eingehalten worden. Schon 1830 wurden pro Teilnehmer eine Umlage von 6 Silbergroschen für einen vierten Festtag erhoben, 1834 erscheinen Einnahmen aufgrund des für drei Tage kassierten Eintrittsgeldes.

Daran änderte sich bis 1858 nichts, obwohl die Regierung in Arnsberg für ihren Bereich einschränkende Bestimmungen erlassen hatte:

 

„Es hat sich in neuerer Zeit der Missbrauch mehrfach eingeschlichen, dass den in unserem Verwaltungsbezirke üblichen Schützenfesten eine willkürliche Ausdehnung gegeben wird. Dieselben beschränken sich nicht auf die übliche Dauer einzelner Tage, sondern ziehen den Bürger auf längere Zeit von seinen Geschäften ab, verursachen ihm bedeutende Kosten, arten in Trinkgelage aus und geben Veranlassung zu vielen Unordnungen. Wir bestimmen daher hiermit, dass die Schützenfeste, wo dieselben nach alter Observanz oder als neu gebildete Observanz üblich oder durch genehmigte Statuten festgesetzt ist, und namentlich als Nachfeier, wo solche bisher nicht stattgefunden hat, unterbleiben soll. Wo aber neue Schützenfeste begründet werden, dürfen dieselben die Dauer von zwei Tagen nicht überschreiten. Wir weisen sämtliche Polizei-Behörden unseres Verwaltungsbezirkes an, auf die Handhabung dieser Vorschrift zu wachen und empfehlen denselben gleichzeitig, darauf zu halten, dass diese Feste nicht zu spät in die Nacht hereingezogen werden, sondern beim Schlage der nach Befinden festgesetzten Polizeistunde ihr Ende nehmen. Arnsberg, den 8. Juli 1842“.

 

Die regelmäßige Durchführung des drei- oder sogar viertägigen Festes trotz der satzungsmäßigen Beschränkung wurde von den Behörden nicht beanstandet, Bürgermeister Rieländer erlaubt für 1856 die Durchführung des Festes für den 28., 29. und 30. Juni.

 

Die preußischen Behörden waren erst 1858 zum Eingreifen gezwungen. Die Schützenvereine wurden aufgefordert, ihre Satzungen zur Überprüfung vorzulegen. Wahle vermutet darin einen Zusammenhang mit dem Regierungsantritt Wilhelms I. Er bezeichnet Wilhelm als einen besonders scharfen Gegner alles Revolutionären. Ohne Wilhelm zu erwähnen, zieht auch Sauermann die Parallele zwischen dem behördlichen Interesse für die Schützenvereine und der allgemeinen Furcht, dass die Vereine nach den Erfahrungen von 1848 potentielle Brutstätten der Revolution sein könnten. Sauermann zitiert eine Verfügung des Lippstädter Landrates:

 

„1. Jedem Schützenfeste im diesseitigen Regierungsbezirke, ohne Unterschied ob in der Stadt oder auf dem Land und gleichviel, ob der Verein Korporationsrechte besitzt oder nicht, ist nur ein Mal jährlich eine Festfeier mit höchstens zweitägiger Dauer und mit Ausschluss jeder Vor- oder Nachfeier, soweit damit Tanzlustbarkeiten verbunden sind, zu gestatten. 2. Die Polizeibehörden sind ermächtigt, nach Einsicht der Statuten der Schützenvereine die Erlaubnis ein für alle Male jedoch mit Vorbehalt des jeweiligen Widerrufs, zu ertheilen. 3. Die Tage für die Feier der periodischen Schützenfeste sind nach den Wünschen der Schützenvereine zu fixieren, doch sollen die Schützenfeste nicht auf einen Sonnabend fallen, und ist Sorge zu tragen, dass die statuten- oder observanzmäßig bisher an Sonnabenden stattfindenden Feste verlegt werden. An den Schützenfesttagen endigt die Festfeier mit der gewohnten Polizeistunde. Ausnahmsweise kann die Polizeibehörde die Fortsetzung des Festes bis Mitternacht gestatten. Bei den auf Sonn- und Feiertage fallenden Schützenfesten ist die Festdauer einschließlich des Auszuges während der Dauer des Vor- und Nachmittags-Gottesdienstes in der nächsten Pfarrkirche einzustellen.“

 

Auch die Regierung in Arnsberg verfügte am 7. Juni 1858 die Einschränkung der Schützenfestdauer auf zwei Tage. Trotzdem genehmigte der Geseker Bürgermeister Frettlöh das Schützenfest für drei Tage. Gleichzeitig wandten sich die preußischen Behörden gegen einen von ihnen vermuteten Alkoholmissbrauch während der Feste:

 

„Im Anschluß an unsere Cirkular-Verfügung vom 7ten d. M., die polizeiliche Ueberwachung und Beschränkung der Schützenfeste Betreffend, erhalten die Königlichen Landräthe Abschrift der an den Königlichen Landrath zu Soest unter dem 23ten October d. J. bezüglich des Ausschanks von Branntwein und ähnlicher Spirituosen an den Schützenfesten erlaßenen Verfügung zur Kenntnisnahme. – Ein Bedürfniß, auch in dieser Richtung gegen den Schützenfeste polizeilich einzuschreiten, muß nach mehrfachen neueren Erfahrungen anerkannt werden, und beauftragen wir daher die Königlichen Landräthe und Polizeibehörden, fortan auf dem in der Verfügung vom 23. October v. J. angedeuteten Wege bei sämmtlichen Schützenfesten ohne Ausnahme den Ausschank von Branntwein, Liqeuren und ähnlicher Spirituosen ganz abzustellen. Wünschenswert wäre es, die Sitte oder vielmehr Unsitte des Freibiers, die bei der Feier vieler Schützenfeste besteht, gleichzeitig zu beseitigen; es muß dies indessen zunächst der außeramtlichen Einwirkung der Polizeibehörden überlassen bleiben. Dagegen werden die Königlichen Landräthe in der Lage sein, in den Fällen der Entstehung neuer und der Rehabilitierung zeitweise sistirter Schützenfeste, No. 6 und 7 der Cirkular-Verfügung vom 7ten d. M., die Einrichtung des Freibiers bei Ertheilung der Erlaubniß zur Abhaltung periodischer Schützenfeste auszuschließen. Arnsberg, den 26ten Juni 1858.“

 

1859 wurden die Statuten der Schützengesellschaft zur Überprüfung vorgelegt und gleichzeitig wurde die Bitte ausgesprochen, das Fest für drei Tage zu genehmigen. Der Schützenvorstand begründet das wie folgt:

 

„Wir kennen hier keine Theater, keine Conzerte, Bälle, die dem Großstädter … lästig fallen. Wenn man nun noch dem schlichten Bürger nicht vergönnt, jährlich 3 Tage in anständiger Weise sich zu erfreuen und zu belustigen, so muss man im Hinblick auf den Großstädter diese Beschränkung hart finden. Polizeiliche Beschränkungen in der hergebrachten Art und Weise der Feier der Schützenfeste können da nur eintreten, wo Rohheit und Exesse hierzu Veranlassung gegeben haben. Dieser Fall liegt bei uns nicht vor. Unsere Schützengesellschaft ist wohl die älteste; sie dokumentiert sich schon aus den 15OOter Jahren und feiert seit jeher ihr Fest mit Anstand, Geselligkeit und militärischen Takt und hat hierdurch in der Nähe und Ferne Achtung und Ruhm erworben. Wir haben ohne Beihilfe der Polizei von vorn herein alles was nur zu Mißhelligkeiten Veranlassung geben konnte zu beseitigen gesucht, auch vom Entstehen … nicht geduldet daß bei und während des Festes Branntwein verabreicht werden durfte.“

 

Im Antrag folgen dann die Ausführungen über die finanzielle Lage des Vereins. Angeführt werden die festen Kosten, die bei der Ausrichtung des Festes entstehen, u.a. Miete für den Platz, Zeltbau und Musik. Bei einer kurzen Dauer des Festes ständen diese Kosten in keiner Relation dazu. Man verweist außerdem auf die Familien der Schützen, die sich in den Arbeiten abwechseln, damit alle wenigstens für einen Teil des Festes Zeit fanden, was bei einer kurzen Dauer kaum möglich sei.

 

Das Schreiben wurde am l. April 1859 durch den Bürgermeister der Stadt an den Landrat weitergeleitet und mit einer Stellungnahme versehen:

 

„… und unter der in dem Gesuche des engeren Schützen-Vorstandes der Wahrheit getreu auseinander gesetzten, meines Erachtens Berücksichtigung verdienenden Umständen gestatten zu wollen, dass wie bisher, das hiesige Schützenfest 3 Tage dauern und an jedem Tage Tanzbelustigung stattfinden darf.“

 

Der Landrat antwortete am 3. Mai. Er sandte die eingereichten Statuten zurück und bemerkte zu dem gestellten Antrag, dass das Fest nur zwei Tage dauern dürfe, da von der Verfügung der Bezirksregierung Arnsberg nicht Abstand genommen werden könne. Der Schriftwechsel erlangte jedoch im Jahr 1859 überhaupt keine praktische Bedeutung, da das Fest wegen der Einberufung der Landwehr, wohl in Folge des italienischen Einigungskrieges wurde ein solcher Schritt erwartet, ausgesetzt wurde und trotz eines Antrages mit einem Verweis auf die Statuten das Fest nicht nachgeholt wurde, da das Fest in der Zeit zwischen dem 24. Juni und dem 18. Juli zu feiern sei.

 

Schon im darauf folgenden Jahr hatten die Bemühungen der Schützen um ein dreitägiges Fest Erfolg. In einem Bericht des Landrates an die Regierung in Arnsberg bat dieser um die Genehmigung des Festes für drei Tage. Am 26. Juni wurde der Antrag gestattet und dem Geseker Verein über den Bürgermeister per telegraphischer Depesche mitgeteilt. Auf der anderen Seite bemühten sich auch die Schützen, den Anforderungen der Regierung nachzukommen. 1867 findet sich im Vertrag über die Verdingung der Schänke im Paragraphen zehn die Bestimmung, dass kein Branntwein ausgeschenkt werden dürfe. Zwei Jahrzehnte später veranlassten die Behörden erneut, die Dauer der Schützenfeste einzuschränken.

 

Die Regierung in Arnsberg verfügte:

 

„… bezüglich der Häufigkeit ihrer Abhaltung und der Dauer ihrer Ausdehnung in einer Weise zugenommen haben, welche ein strenges Einschreiten zur Abstellung der unverkennbar hervortretenden Ausschreitungen aus Rücksichten der öffentlichen Wohlfahrt als ein unabweisbares Bedürfniß erscheinen läßt.“

 

In Geseke versuchte man, die bindenden Vorschriften dadurch zu umgehen, dass am ursprünglich ersten Festtag der Wirt, an den die Schänke verdungen worden war, auf dem Festplatz ein Konzert veranstaltete. Der Bürgermeister verbot daraufhin das Konzert, was eine Beschwerde des ausrichtenden Wirtes Roderfeld nach sich zog. Der Bürgermeister bemerkte zur Beschwerde, dass der Schützenverein zum Konzert die Musik engagiert und bezahlt habe und auch das Eintrittsgeld von ihm erhoben werden sollte. Zudem wäre das Konzert für das Aufsetzen des Vogels und den Zapfenstreich unterbrochen worden. Damit läge eine eindeutige Verletzung der Bestimmung vor, nach der das Schützenfest nur für zwei Tage genehmigt werden könne.

 

Die Bemühungen der Schützen hielten an, eine dreitägige Festdauer wieder genehmigt zu bekommen. Im benachbarten Lippstadt wurde die Erlaubnis dazu 1889 erteilt, Geseke hingegen wurde der Wunsch mit dem Hinweis abgeschlagen, dass ein Vergleich der Einwohnerzahlen (Geseke hatte 3.686, Lippstadt 10.504 Bewohner) keine Veranlassung dazu geben könne. Unberücksichtigt blieb, dass der Bürgermeister keine polizeilichen Einwände gegen eine Ausweitung des Festes erhob. 1892 wurde dann ein dreitägiges Fest wieder gestattet.

 

Allerdings sollte die Feier am ersten Tag nach dem Vogelschießen um ein Uhr beendet werden und am Sonntag, dem zweiten Tag, die Veranstaltung erst nach Ende der Hauptgottesdienste beginnen. Die Genehmigung musste in jedem Jahr neu beantragt werden. Ebenso hatte der Bürgermeister jährlich einen Bericht über das Schützenfest und die anderen öffentlichen Feiern abzuliefern und über besondere Vorkommnisse wie Schlägereien zu berichten. Erst danach konnte das Fest wieder genehmigt werden.

 

In Geseke wurde die Genehmigung regelmäßig bis zum Jahr 1908 erteilt. Dann aber wurde vom Regierungspräsidenten eine erneute Beschränkung auf zwei Tage gefordert. Erst nach einem längeren Bericht des Bürgermeisters Flamm an den Landrat, in dem er den Festverlauf in Geseke erläuterte, genehmigte der Regierungspräsident die Feier an drei Tagen und verzichtete darauf, in Zukunft besondere Genehmigungen zu erteilen. In dem Bericht des Bürgermeisters findet sich eine Passage, die die Teilnahme der Bevölkerung am Fest behandelt. Flamm schrieb, dass die Beteiligung des Arbeiterstandes, speziell die Arbeiter in den Geseker Zement- und Kalkwerken sowie in den Steinbrüchen, verschwindend gering sei, da jede ansässige männliche Person nur als Mitglied am Fest teilnehmen könne, die Arbeiter aber wegen der hohe Beiträge nicht beitreten würden. Dagegen sei das Fest von den Landwirten sehr gut besucht. Ob die Senkung des Beitrages von 3,50 Mark auf 2,50 Mark im Jahr 1910 mit dieser Bemerkung zusammenhängt, lässt sich nicht mehr feststellen.

 

Die Auseinandersetzung mit den preußischen Behörden beschränkte sich nicht allein auf die Frage, ob die Schützenfestdauer zu beschneiden sei oder nicht, sondern hatte noch in zwei anderen Punkten längere Briefwechsel zur Folge.

 

Die Auseinandersetzungen mit den Juden der Stadt wird in einem gesonderten Kapitel behandelt.

 

Die Fragen um den Ankauf eines eigenen Schützenplatzes sollen im folgenden erörtert werden. Seit 1830 feierte die Gesellschaft ihr Fest nicht mehr im Rathaus der Stadt, sondern pachtete dazu so genannten Sellenhof im Südwesten der Stadt an. Das Vogelschießen fand vor der Stadt am Tollentisch statt. Die Lösung war nach Auffassung von Leesch zunächst nur als Notbehelf vorgesehen. Der Platz konnte auch nicht käuflich erworben werden. Deshalb suchte man Möglichkeiten, einen eigenen Platz anzukaufen und auch Gebäude darauf errichten zu können.

 

Den ersten Versuch unternahm man 1852. In einer Vorstandsversammlung wählte man eine Kommission, die eingerichtet wurde, um einen Platz anzukaufen. Der Platz sollte vor dem Steintor im Süden der Stadt liegen. Doch erst 1879 scheint man mehr erreicht zu haben. In der Abrechnung taucht eine Abschlagzahlung für einen Gärtner in Höhe von 1.000 Mark für einen Schützenplatz auf. Die nächste Nachricht stammt aus dem Jahr 1880.

 

Der Schützenverein hatte sich an die Regierung in Arnsberg gewandt, um die Korporationsrechte zu erhalten, die zur Erwerbung eines Platzes und zur Erbauung eines Schützenhauses notwendig war. Die Regierung bemerkte dazu, dass der Verein nicht einmal die Rechte einer juristischen Person besitze, die zur Erwerbung eines Platzes genügen würde. Erst 1886 wurden weitere Schritte unternommen. Der Verein nahm Bezug auf den Antrag von 1880 und erläuterte, dass das Grundstück bereits gekauft sei und der Verein über ein Vermögen von 9.000 Mark verfügte. Der um Stellungnahme gebetene Geseker Bürgermeister schrieb dazu an den Landrat, dass es ausreichen würde, wenn man im Einzelfall über Anträge befinden würde, auch ohne dass der Verein die Rechte einer juristischen Person besitze. Er würde dem Erwerb von Grundeigentum in diesem Fall zustimmen.

 

Da der Vorstand mit dem bereits getätigten Ankauf weit vorgeprescht war, musste er sich seine Aktivitäten durch die Mitglieder bestätigen lassen. Zu der am 14. August 1887 angesetzten Mitgliederversammlung erschienen 165 Mitglieder, ungefähr dreiviertel aller aktiven Mitglieder des Vereins. Mit 146 zu 19 Stimmen genehmigten sie den Ankauf des Platzes und die Erbauung einer massiven Restaurationshalle und gestatten die Aufnahme eines Kredites zur Finanzierung der Baumaßnahmen.

 

Die endgültige Klärung der Rechtsstellung des Vereins erfolgte erst 1900. Durch Einführung des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches war die erneute Einreichung der Statuten erforderlich. Danach wurde der Verein unter der Nummer 1 in der Vereinsregister des Amtsgerichtes Geseke eingetragen und erlangte die Rechte einer juristischen Person. Die Statuten ließ man in einer Auflage von 600 Stück drucken und an die Mitglieder verkaufen.

 

Inzwischen hatte man die Bautätigkeiten auf dem nahm Bezug auf den Antrag von 1880 und erläuterte, dass das Grundstück bereits gekauft sei und der Verein über ein Vermögen von 9.000 Mark verfügte. Der um Stellungnahme gebetene Geseker Bürgermeister schrieb dazu an den Landrat, dass es ausreichen würde, wenn man im Einzelfall über Anträge befinden würde, auch ohne dass der Verein die Rechte einer juristischen Person besitze. Er würde dem Erwerb von Grundeigentum in diesem Fall zustimmen.

 

Da der Vorstand mit dem bereits getätigten Ankauf weit vorgeprescht war, musste er sich seine Aktivitäten durch die Mitglieder bestätigen lassen. Zu der am 14. August 1887 angesetzten Mitgliederversammlung erschienen 165 Mitglieder, ungefähr dreiviertel aller aktiven Mitglieder des Vereins. Mit 146 zu 19 Stimmen genehmigten sie den Ankauf des Platzes und die Erbauung einer massiven Restaurationshalle und gestatten die Aufnahme eines Kredites zur Finanzierung der Baumaßnahmen. Die endgültige Klärung der Rechtsstellung des Vereins erfolgte erst 1900. Durch Einführung des neuen Bürgerlichen Gesetzbuches war die erneute Einreichung der Statuten erforderlich. Danach wurde der Verein unter der Nummer 1 in dem Vereinsregister des Amtsgerichtes Geseke eingetragen und erlangte die Rechte einer juristischen Person. Die Statuten ließ man in einer Auflage von 600 Stück drucken und an die Mitglieder verkaufen.

 

Inzwischen hatte man die Bautätigkeiten auf dem Schützenplatz fortgesetzt und beschloss, zusätzlich zum Schützenhaus, zwei Küchen sowie eine Toilettenanlage anzulegen. Für die Festlichkeiten reichte der Baukörper nicht allein aus. Für den Tanz wurde in jedem Jahr ein großes Zelttuch zwischen den Gebäuden aufgeschlagen und ein Tanzboden aus Holz verlegt, wie aus den Jahresrechnungen hervorgeht.

 

Ein letztes Mal kam man mit den Behörden in Berührung, als das große Fest anlässlich des 500jährigen Bestehen der Gesellschaft zur Planung anstand. Obwohl sich der Verein in seiner gedruckten Satzung von 1903 auf die von Kampschulte entdeckte Urkunde von 1412 bezog und Josef Lappe seine Geschichte der Geseker Schützengesellschaft 1909 veröffentlicht hatte, bemerkte man das Jubiläumsjahr erst nach dem Schützenfest von 1912. Deshalb wurde ein Fest für das kommende Jahr in Aussicht genommen und ein Gesuch um allerhöchste Auszeichnung an den preußischen König gerichtet. Begründet wurde das Gesuch mit der langen Zeit des Bestehens des Vereins.

 

Dem Gesuch wurde stattgegeben und der Verein erhielt als Auszeichnung eine Verdienstmedaille mit einem großen preußischen Adler vom preußischen König. Der Adler wird heute als Abzeichen des Oberst von ihm getragen. Sauermann sieht in der Verleihung des Adlers, der auch an andere Schützenvereine verliehen wurde, den Versuch des preußischen Staates, sich die Tradition der Vereine eigen zu machen und den preußischen Adler als Ziel- und Endpunkt der recht unterschiedlichen Geschichte der deutschen Landesteile hinzustellen.

 

Die in Geseke immer wieder zu hörende Behauptung, die Gesellschaft hätte auch die Adler erhalten, die die Spitze der Schützenfahnen zieren, kann nicht aufrechterhalten werden. Schon 1898 hatte der Vorstand beschlossen, zu den neu anzuschaffenden Fahnen fliegende Adler auf einer Kugel anzukaufen. Die von Sauermann konstatierte patriotische Bewegung innerhalb der Schützen, für die er einige Beispiele aus der näheren Umgebung Gesekes anführt, konnte bei dem Studium der vorhandenen Quellen für die Geseker Gesellschaft nicht bestätigt werden. Ein Grund mag dafür der seit 1867 bestehende Krieger- und Landwehrverein sein, der Bewegungen dieser Art auffangen konnte. Die Verbindung der Gesellschaft zur Stadt wurde im Jubiläumsjahr dadurch manifestiert, dass der jeweilige Bürgermeister der Stadt aufgrund seiner Funktion als Hauptmann beim Stabe dem Offizierskorps zugerechnet wurde.

 

Nach einem glanzvollen Jubelfest und der Feier 1914 ließ der Krieg alle Aktivitäten erlahmen. Der Schützenplatz wurde als Lagerplatz für Pioniergerät verwandt. Das Zelttuch musste nach Aufforderung des Wertstoff-Meldeamtes der Kriegs-Rohstoff-Abteilung des preußischen Kriegsministeriums abgegeben werden. Aus der Schützenkasse stellte der Verein 500 Mark für bedürftige Familien zur Verfügung.