Noch müssen die Geseker Sebastianer Frack und Zylinder nicht bis 2021 einmotten. Weil die Schützen erst im Juli feiern, besteht noch die Chance, dass der Höhepunkt der Corona-Krise bis dahin überstanden ist.
Sollte das Fest bis dahin doch noch abgesagt werden, gäbe es aber immerhin einen schwachen Trost: Es wäre nicht das erste Mal in der über 600-jährigen Vereinsgeschichte, dass die Sebastianer zu Hause blieben.
Im Jahr 1613 zum Beispiel feierten die Schützen nur ein abgespecktes Fest. Das geht aus der Vereinsgeschichte nach Josef Lappe hervor. „Weil Gott der Allmächtige diese Stadt leider mit der abscheulichen Seuche der Pestilenz dieses Jahr heimgesucht, ist für gut angesehen, diesetwegen mit Schießen, Hoffieren und großen Zehrungen einzuhalten, und sind nur die Schützenbrüder allein bei einander gewesen und sich weiter verbrüdert“, heißt es dort wörtlich.
So ganz wollten die Sebastianer also doch nicht verzichten. „Meist wurde jedoch nur das große Fest unter solchen Umständen aufgegeben, dagegen kamen die Schützen allein ohne Frauen und Gäste zusammen und verzehrten die geringeren Einkünfte, ohne dass die allgemeine Einsammlung der Gerste und des Hopfengeldes stattgefunden hätte“, erläutert Josef Lappe in seinem Aufsatz von 1909.
Weitere Aufzeichnungen über das Fest von 1613 und seine Umstände gibt es aber leider nicht mehr. „Für die frühneuzeitliche Geschichte der Geseker Schützengesellschaft sind die Schriften von Lappe selbst zur Quelle geworden“, erklärt Gesekes Stadtarchivarin Evelyn Richter auf Nachfrage. Die frühen Protokollbücher, die dem Autor der Vereinsgeschichte damals noch zur Verfügung standen, seien „leider durch die Zeitumstände später verloren gegangen“.
Welche Krankheit genau die Stadt im 17. Jahrhundert heimsuchte, lasse sich heute nicht mehr feststellen, so die Stadtarchivarin. „Pestilenz“ habe die Stadt Geseke und ihre Umgebung auch zu anderen Zeiten im Griff gehabt.
34 Liter Bier ans Hospital gespendet
Gleichwohl taucht die Pest von 1613 auch in der Festschrift auf, die Hermann Hinteler 1962 zur 550-Jahr-Feier der Sebastianer herausgebracht hat. Demnach sei es in der Bruderschaft stets Pflicht gewesen, einem verstorbenen Mitglied das letzte Geleit zu geben. „Während der Pest 1613 wird diese Sitte besonders erwähnt“, merkt Hermann Hinteler an. Außerdem weist der Festschrift-Autor auf die caritativen Aufgaben der Schützen vor und nach dieser Zeit hin. „So stifteten sie noch 1879 dem Hospital zum Heiligen Geist 34 Liter Bier.“

Frack, Zylinder und eine Rose im Gewehr: Damit zieht jeder Sebastianer einmal im Jahr durch die Stadt – wenn nicht gerade „Pestilenz“ dazwischenkommt. foto: Dietz