Von Hannah Wapelhorst, Marcel Mund, Carolin
Cegelski, Björn Theis und
Dominik Friedrich

Kreis Soest – Die Schützenfeste hängen weiter in der Schwebe. Ob 2021 wieder um Königsehren geschossen wird, weiß niemand. Doch irgendwann wird es wieder stattfinden, das erste Hochfest mit oder nach Corona. Und das garantiert unter geänderten Vorzeichen. Unsere Illustratorin Marina Woitek hat sich ihre ganz eigenen Gedanken dazu gemacht. Wir haben Hochfest-Experten mit der Zeichnung konfrontiert. Was sie dazu sagen und wie sie die Chancen für ein baldiges Ende der Schützenfest-Zwangspause einschätzen, haben sie dem Patriot auf Anfrage verraten.

Franz Westermann (Kreisschützenoberst aus Langeneicke)

„Könnten wir überhaupt so feiern?“, fragte sich der Oberst des Kreisschützenbundes beim Anblick der aus seiner Sicht sehr gelungenen Illustration. Seine Antwort kam postwendend: „Ich glaube nicht. Wenn wir wieder Schützenfest feiern, muss das unbeschwert und ohne Einschränkungen gehen. Entweder richtig oder gar nicht.“ Nicht-Geimpfte oder Nicht-Getestete ausschließen ist überdies für Westermann ein No-Go. „Das würde dem Grundgedanken des Schützenwesens widersprechen.“

Ändern wird sich nach Ansicht des Kreis-Oberst aber schon einiges auf den heimischen Festplätzen. „Die Hygieneanfordeurngen werden höher – ebenso die Hygieneansprüche der Besucher“, mutmaßt er. „Das geht beim Gläser-Spülen los und reicht bis zur Verpflegung an der Bratwurstbude. Da werden neue Vorschriften auf uns zu kommen“, so Westermann. Ob schon 2021? Der Langeneicker ist skeptisch. „Die allgemeine Stimmung im Kreisschützenbund ist so, dass zumindest im ersten Halbjahr keine Feste stattfinden. Und auch im zweiten Halbjahr wird es schwierig. Meine große Hoffnung ist, dass wir 2022 wieder richtig feiern.“ Entscheidend ist für Westermann so oder so die Impfquote. „Aktuell geht es beim Impfen nicht voran. Ohne entsprechend hohe Quote kommen die Besucher auch nicht zum Schützenfest. Gerade ältere Menschen werden das Risiko nicht eingehen“, so Westermann. Bis die Gefahr weicht, setzt der Kreisoberst weiter auf „ideenreiche und Corona-konforme Schützenfest-Alternativen der Vereine, „Die Schützen werden sich auf jeden Fall im Sommer in den jeweiligen Orten bemerkbar machen.“

Markus Köster (Festwirt aus Anröchte)

Etwas optimistischer klingt Markus Köster. „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir im Verlauf des Jahres noch ein paar Feste feiern“, sagt er. Und zwar nicht mit Maske und Abstand. „Nein, so wird es nicht“, erklärt der Eventmanager wie aus der Pistole geschossen, als er unsere Zeichnung im E-Mail-Postfach öffnet. „Schützenfest lebt von Kommunikation“, meint er. „Clusterbildung kann ich mir nicht vorstellen.“ Der Anröchter setzt auf Herdenimmunität, dann auf kleinere Schützen-Veranstaltungen und schließlich die Schützenfeste mit gewohnter Tradition. „Kein Schnickschnack: Die Leute wollen einfach nur bei Bier und Bratwurst zusammenstehen und sich vielleicht mal wieder in die Arme nehmen“, weiß Köster aus vielen Gesprächen. Vereine treten deshalb auch schon an ihn heran, um etwa Kompanie-Treffen zu planen oder das Schützenfest pro forma vom Frühjahr in den Herbst zu verlegen.

Die Hygienestandards, da ist sich Köster sicher, werden auf den Festplätzen deutlich steigen. Er erwartet eine andere Toiletten-Hygiene: keine engen Räume, keine so genannten Pinkelrinnen mehr, dafür warmes Wasser, Flüssigseife, Desinfektion und eine größere Würdigung des Reinigungspersonals. Zudem wird sich die Glasspültechnik ändern. „Kurz das Glas durchs alte Wasser ziehen wird sich kein Kunde mehr bieten lassen“, glaubt er. Reinigungsmaschinen, in denen die Gläser bei 90 Grad durchgespült werden, sind die Zukunft. Köster setzt diese schon seit fünf Jahren ein. Flaschenbier wird überdies gefragter. Das sei auch ohne Corona ein Trend, so Köster.

Dirk Weitkemper (Schützenverein Bad Waldliesborn)

Die Illustration passe „wie die Faust aufs Auge“, sagt Dirk Weitkemper, Vorsitzender des Schützenvereins Bad Waldliesborn mit Blick auf die aktuelle Situation und die Auflagen. „Hoffentlich müssen wir so unser Schützenfest nicht feiern – und wenn doch: Funktioniert das alles auch nach circa zehn Bier?“, fragt er mit einem Augenzwinkern. Spaß beiseite: „Dass ist nicht, was wir unter Schützenfest feiern verstehen und so auch nicht möchten“, sagt er. „Allerdings blicken wir mit Sorge in die Zukunft, unter diesen oder vergleichbaren Auflagen Schützenfest feiern zu müssen.“ Lediglich vorm Flaschenbier fürchteten sich die Kurort-Schützen nicht, meint Weitkemper. „Unsere Befürchtung ist, dass die Auflagen in Richtung Hygiene sich verschärfen werden, sprich: Ein einfaches Spülbecken zum Spülen der Gläser wird wahrscheinlich in den nächsten Jahren nicht ausreichen.“

Weitkemper glaubt fest daran, dass Schützenfeste wieder sein werden wie vor Corona: „Die Frage ist nur wann.“ An ein Fest, wie die Kurort-Schützen es noch 2019 feierten, glaube er derzeit nicht: „Wir hoffen, dass wir es im Jahr 2022 wieder in gewohnter Form feiern können.“

Leon Carballo (Junggesellen-Schützenverein Erwitte)

„Sehr provokant“, war der erste Gedanke von Leon Carballo, Oberst des Junggesellen-Schützenvereins Erwitte, beim Blick auf die Illustration. Viele Faktoren, die aktuell die Medien beherrschten, beschrieben sicherlich den Worst-Case-Fall. „Schön finde ich es, dass überhaupt das Ehrenamt – sprich das Schützenwesen – nicht in Vergessenheit geraten ist.“ Für realistisch hält er das Bild nicht, „da ansonsten die gesamte Veranstaltungswelt, kommerziell wie privat, so handeln müsste“. Sicherlich würden einige Auflagen in Zukunft hinzukommen. „Eine extreme Einschränkung, wie auf der Illustration zu sehen, wäre problematisch für das Ehrenamt.“ Als sinnvoll erachtet Carballo die Hygienemaßnahmen seitens der Festwirte und Gastronomen: „Hier wird es sicherlich in Richtung Spülmaschinen, bargeldlosem Bezahlen und besserer Hygienemaßnahmen laufen.“ Das JSV-Schützenfest findet alle zwei Jahre statt, turnusgemäß erst wieder im Jahr 2022. „Natürlich kann es sein, dass wir im nächsten Jahr ein anderes Schützenfest feiern müssen. Dieses sollte dennoch nicht zu Unmut führen, sondern auch die Vereine haben die Aufgabe, neue Wege zu finden“, meint der Oberst. Für 2021 hofft er, dass einige Vereine eventuell in der zweiten Jahreshälfte ihr Schützenfest feiern können. „Kleine interne Veranstaltungen sind sicherlich wie im Sommer letzten Jahres realistisch.“

Hans-Georg Dröge
(St. Sebastianus-Schützenbruderschaft Geseke)

„Schützenfest ist ein Fest der Begegnung. Dazu passen Abstandsregeln nun mal gar nicht“, ist der erste Gedanke des Oberst der Geseker Sebastianer, Hans-Georg Dröge, als er die Illustration sieht. Gleichzeitig glaubt er aber, dass die ein oder andere Maßnahme sehr wahrscheinlich beim Schützenfest wiederzufinden sein wird – „so befremdlich das alles für ein Fest anmutet“. Aber: An den Einlass nur mit Impfausweis und Schnelltest glaube er nicht.

Andere Maßnahmen sind da wahrscheinlicher: Dröge nennt etwa das vermehrte Achten auf Hygiene – zum Beispiel in Form von Desinfektionsmittelspendern, dem Spülen von Gläsern, dem Betrieb von Imbissbuden oder der Sauberkeit der Toilettenanlagen. Auch seitens der Ordnungs- und Gesundheitsbehörden werde es entsprechende Auflagen geben. „Wie die genau aussehen, kann momentan noch keiner sagen. Daher ist es sicherlich noch zu früh, konkrete Maßnahmen zu planen“, sagt er.

Wird es denn nie mehr wie vorher? Der Sebastianer-Oberst bleibt optimistisch: „Da werden wir sicherlich wieder hin kommen. Allerdings nicht in den nächsten Jahren.“ Corona werde gerade bei Großveranstaltungen seine Spuren hinterlassen.

Ein Schützenfest noch in diesem Sommer? „So gerne wir alle unser Hochfest feiern möchten, so sehr müssen wir auch realistisch bleiben“, sagt Dröge. „Auch bei derzeit sinkenden Inzidenzzahlen denke ich, werden wir diesen Sommer noch keine Großveranstaltungen erleben.“ Hier stehe die Vernunft und vor allem die Gesundheit aller im Vordergrund. „Gedanklich muss man sich also auch schon mit 2022 beschäftigen.“

Sebastian Lips (St. Sebastianus Jungschützenverein Rüthen)

„Bevor es so gemacht wird, lassen wir es lieber ganz“, lautet die prägnante Antwort des Vorsitzenden Sebastian Lips mit Blick auf die Illustration. „Schützenfeste leben nicht nur von ihren festen Abläufen beziehungsweise einem Pflichtprogramm, welches man mit aller Gewalt durchführen muss. Schützenfeste leben von Gemeinschaft und dem Beisammensein. Gesellschaften erster, zweiter oder gar dritter Klasse respektive Geimpfte, Getestete oder Nicht-Geimpfte darf es hier nicht geben. Wenn jeder nur in seinem sterilen Radius vor sich hin feiern dürfte, können wir auch gleich zu Hause bleiben“, sagt er. Der Aspekt der Hygiene werde aber eine maßgebliche Rolle bei der Planung der Feste spielen. „Es bleibt zu hoffen, dass hier die Hürden erfüllbar und bezahlbar bleiben.“

Lips geht davon aus, dass die Feste dennoch irgendwann so wie bisher gefeiert werden. „Schützenvereine und Bruderschaften gründen sich auf größtenteils Jahrhunderte alten Fundamenten. Sie haben Kriege, Diktaturen, wechselnde Regierungen, technischen Fortschritt und auch Pandemien überstanden und überdauert und auch Corona wird diese Fundamente nicht zerstören.“ Jedoch glaubt er, dass erst ab 2022 wieder richtig gefeiert werden kann. „Ich sehe da immer ein wenig Parallelen zur Bundesliga. So lange hier nicht Spiele mit adäquater Zuschauerzahl von mindestens 20 Prozent der Kapazitäten in den Stadien erlaubt seien werden, brauchen wir uns über die Durchführung von Volksfesten sicherlich wenig Hoffnung zu machen.“

Unvorstellbar oder gar nicht so abwegig? Unsere Illustratorin Marina Woitek hat sich Gedanken über Schützenfest unter Corona-Vorzeichen gemacht. Heimische Hochfest-Experten beziehen Stellung und blicken voraus.