Der Schuss in den Braten Anno 1622

von Werner Freise

Es gibt keine geschichtliche Zeitepoche Gesekes, die so ausführlich von den verschiedensten Autoren der letzten 384 Jahre beschrieben wurde, wie die ersten Monate des Jahres 1622.

Es war eine schöne Fleißarbeit für mich alles Geschriebene in Einzelartikeln und Buchabschnitten zusammen zu stellen. Einmal muss Schluss sein mit der Sucherei, zumal die meisten Bürger über die einschlägige Literatur nicht verfügen. Und weil die Geschichte für Geseke so glorreich ist, kann sie gar nicht oft genug gelesen werden und nachwachsenden Generationen als leuchtendes Beispiel hingestellt werden. Jedoch über ein übernatürliches Erlebnis, wurde von Generation zu Generation nur mündlich weitergegeben und nicht als Volkssage niedergeschrieben. Nur der hervorragende Geseker Heimatfreund und Dichter und Zeichner Paul von der Weihe beschrieb „up Geiseker Platt“ in Gedichtform, vor über 60 Jahren, diese Volkssage.

Also, alle Geschichtsschreiber behaupten Graf Anholt sei der eigentliche Befreier von Geseke, als er Christian von Braunschweig und Lüneburg nach einwöchiger Belagerung im Frühjahr 1622 vertrieb. Diese Behauptung ist nur zum Teil richtig, denn der eigentliche Grund für Christians Aufhebung der Belagerung und dem schleunigen, unrühmlichen Abmarsch, war ein ganz anderer.

Wir schreiben das Jahr 1622. Der 30-Jährige-Krieg wütet auf deutschem Boden nun das vierte Jahr. Es ist Dienstag, der 11. April, es ist Mittagszeit und der tagelange Regen mit Hagel, Blitz und Donner hat etwas nachgelassen. Geseke wird nun schon seit einer Woche von Christian belagert. Aus Sicht der Geseker Verteidiger ist das ungemütliche Aprilwetter bisher der beste Verbündete gewesen.

Ein schöner Frühlingstag, heller Sonnenschein liegt auf der Stadt. Groß ist Christians Verbitterung gegen die kleine Stadt Geseke mit ihren 4000 Einwohnern, die es bis zum jetzigen Zeitpunkt gewagt hatten ihm zu trotzen. Er rennt nun schon seit einer Woche gegen die Mauern Gesekes an. Selbst die zur Verstärkung heran zu holenden „24-Pfünder-Kartaunen“, die man in Lippstadt den Spaniern abgenommen hatte, sind in Esbeck im Schlamm und Dreck stecken geblieben.

Unter seinen durchnässten Söldnern herrscht Wut, Enttäuschung, Rachsucht aber auch Ratlosigkeit. Über 800 Tote hat der verzweifelte Kampf gegen das Bollwerk Geseke mit seinen Mauern, Zinnen und Türmen und Toren, nun schon gekostet. Des Weiteren sind über 400 Söldner „waidwund“ geschossen und kampfunfähig. Wo man auch Attacke führte, sei es am Steintor, am Lüdischen Tor, am Mühlentor. Oder am Viehtor, immer gab es was auf den „Schlapphut“. Als gute Geseker Verteidigungswaffe dienten auch voll besetzte Bienenkörbe, die ihnen entgegen geschleudert wurden. Die Angriffsmoral ließ „stichhaltig“ nach. Selbst die mit schwerstem Geschütz weich und bröselig geschossene Wallmauer, zwischen dem Lüdischen Tor und dem Viehtor, wurde sofort mit frischem Stallmist und Holzbalken wieder geschlossen, da kein Baumaterial mehr vorhanden war.

Es ist zum Verzweifeln, Christian hat in den letzten Tagen mehr Söldner und Trossbuben abstellen müssen, für Beerdigungsarbeiten sowie für Verwundetentransporte hinter die schönen Mauern von Lippstadt, als ihm lieb war.

Als „Dennemaker“ (Plattmacher), wie Christian auch genannt wurde, hatte er bisher in Geseke nur die Windmühle im Süden, die 3 Wassermühlen im Norden und die Ölmühle brandschatzen können, denn die Besitzer waren allesamt hinter die schützenden Mauern Gesekes geflüchtet und kämpften umso verbissener gegen ihn. Alles Korn hatten die Bauern eingefahren und die „Bansen“ (Korn und Strohbalken) waren geräumt und gedroschen um Bränden vorzubeugen.

Es hätte alles so einfach für sein Christian können, wenn er am 5. März nachgerückt wäre, denn er hatte bereits ein Fähnlein (ca. 300 Soldaten) in Geseke als Besatzung. Sie hatten sich durch eine Überrumpelungstaktik Einlass verschafft, es wurde geraubt und mit Totschlagen gedroht. Aber nein, Christian war nicht nur ein erfolgreicher Heeresführer, er liebte auch das süße Leben in Lippstadt in Saus und Braus. So konnte dann Othmar von Erwitte mit seinem Heer ebenfalls in einer Nacht- und Nebelaktion von Geseke Besitz nehmen. Die Christiangetreuen wurden mit Hieb-, Stich- und Schusswaffen wieder aus Geseke hinausbefördert. Durch die geöffneten Stadttore wurde die fliehende Soldateska auf das schärfste traktiert, so dass bei der Verfolgung bis zur Störmeder Schledde, nur wenige mit dem Leben davon kamen.

Christian sitzt an einem gewaltigen Findling außerhalb der Schussweite der Geseker Verteidiger. (Aber so denkt nur er.) So hängt er all diesen Gedanken nach, besonders über die erlittene Niederlage Anfang März, die so viele von den Seinigen dahingerafft hatte: „So etliche von den Seinigen nicht lange zuvor gelitten hatten, Schand und Schaden der Seinigen rächen.“ Sie, die Geseker, sollen seine Rahe fühlen. Wehe dir Geseke, wenn du in meine Hände fällst.

Was war bis zu diesem Zeitpunkt alles passiert? Christian befand sich in einer kritischen Lage. Geseke, in bayrischer Hand, bildete eine ständige Bedrohung und wirkte wie ein Pfahl im Fleisch. Die Rekrutentruppen des Ostens flohen in hellen Scharen nach dem Norden. Der Rückzug zur Weser drohte abgeschnitten zu werden. Um den 12. März 1622 war es so, dass der Braunschweiger um sein ganzes Unternehmen fürchten musste. Der unglaublich schnelle Flankenangriff Othmars von Erwitte hatte in Lippstadt überrascht und man zog zunächst einmal die kampffähigen Truppen um das Hauptquartier in Lippstadt zusammen. Lange konnte Christian aber nicht abwarten, es musste etwas geschehen. Da nimmt der Braunschweiger die Gelegenheit wahr und greift mit seinen 18-20 Kompanien zu Pferd (etwa 2500 Mann) die unbewegliche Kölner Infanterie in Soest an. Er erbeutet 4 Fähnlein und 1000 Gewehre einen Waffentransportes fallen ihm in die Hände.

Der Oberleutnant Othmar von Erwitte hatte sich mit seinen Reitern und Fußtruppen rechtzeitig vor der drückenden Überlegenheit der Braunschweiger nach Geseke hinter die schützenden Mauern zurückgezogen, die er am 23. März 1622 erreichte. Gegen die 36 Kompanien der Braunschweiger hätte Erwitte in einer offenen Feldschlacht nicht bestehen können, so erhoffte er sich in der befestigten Stadt Geseke doch wohl gut Widerstand leisten können, zumal die Braunschweiger fast nur über Kavallerie verfügten.

Nachdem der Osten des Hochstiftes Paderborn durch die Braunschweiger wieder zurück erobert war, begab sich Fleckenstein, der die gleichen Ziele wie Christian verfolgte, in das verhältnismäßig noch verschonte Niederstift Münster mit dem Ziel die Kriegskasse zu füllen. Der Braunschweiger selbst begab sich nach Brakel und dann nach Paderborn, um einen möglichen Angriff Erwittes zu verhindern. Er traf dort am dort am 24. März 1622 ein. Eine Kompanie löste die andere ab. Rittmeister Haften war gerade mit 250 Mann eingerückt. Rittmeister Limburg und Rittmeister Eßwig und Christian Wolf von Haxthausen, sowie die knyphausensche Mannschaft mit ihren Soldaten, Trossbuben, Weibern, Kindern und undurchsichtigem Gesindel, warteten auf die Befehle Christians.

Auch die bis dahin verschonten Protestanten in Paderborn und Juden wurden entwaffnet und ihre Häuser geplündert. So beging Christian von Braunschweig, der sich auf seinen Münzen „Gottes Freund“ nannte, die Karwoche und das Osterfest in Paderborn. Karfreitag war der 25. März 1622. Am 1. April zog er wieder weiter.

Inzwischen machten seine Söldnerwerbungen weitere Fortschritte. Im Entstehen waren jetzt vor allem Infanterieregimenter und zwar auf protestantischer Seite: Carpzo, Ysenburg, Sachsen-Lauenburg, Löwenstein und Semling. Weiter waren im Aufbau die Regimenter Jason von Overfest und Oberleutnant Vitzthum zu Pferd. So die „Union“ der protestantischen Seite.

Auf Katholischer, also „Ligistischer“ Seite stand es dagegen schlecht mit Truppenaufstockungen. Anholt hatte zudem Schwierigkeiten bei der Bezahlung der Söldner, und so schreibt er am 3. April 1922: „unnd schreyen ohne underlaß umb ihre bezahlung, weill sie zerrissen, nacket unnd bloß, ihre Rosse ohne Sattel unnd Zeug, unnd welches das argste ist, ville ohne taugliche wehr.“
Der Generalwachtmeister Anholt bittet in seiner Verzweifelung um seine Entlassung bei Maximilian. Wenige Tage nach diesem Brief bricht beim Regiment Lintelo, das in Büren liegt und 14 Monate ohne Sold ist, die Meuterei aus.

So stehen für den Halberstädter die Dinge nicht ungünstig und er glaubt daher, nun die zweitgefährlichste Bedrohung seit dem Anmarsch der Armeegruppe, Anholt, beseitigen zu können.

Zwischen 7 Uhr und 8 Uhr morgens am 4. April 1622 erscheinen im Süden von Geseke vor dem Steintor 24 Kompanien, 10 Fähnlein (6500 Mann) mit 3 Kartaunen an Artillerie. Sie versuchen nun in kürzester Zeit, die Stadt zum zweiten Mal innerhalb eines Monats zu besetzen.
Nach der abgelehnten Übergabeforderung wurde Geseke den ganzen Tag beschossen. Als die Nacht anbrach, legte man bei anhaltendem Geschützfeuer einen Laufgraben in Richtung Stadtmauer an, die auf der linken Seite bereits auf einer Länge von 80 Fuß (etwa 25 Meter) mürbe geschossen war.

Aber obwohl Christian mit 7 Fähnlein stürmen ließ (2100 Mann), wehrten sich die Geseker mit den Bayern unter Oberleutnant Othmar von Erwitte erfolgreich. Sofort wurden die Breschen zum Teil mit Holz und Steinen wieder aufgefüllt, wobei Frauen, Jungen und Mädchen tatkräftig mitgewirkt haben.

Nachdem nachts zwischen 1 Uhr und 2 Uhr weitere Breschen in die Stadtmauer geschossen waren, versuchten die Braunschweiger einen zweiten Sturmangriff unter Oberleutnant Carpzo am Mühlentor. Die „Petarde“ (Sprengladung), die ans Tor angebracht wurde, zeigte bei der Explosion keine Wirkung, da die Ladung zu klein und die Geseker Eiche zu kernig war. Auch der dritte Angriff gegen Morgen des 8. April 1622 um 7 Uhr am Viehtor kam nicht durch, obwohl schon einige Braunschweiger eingedrungen waren.

Ein Anholtscher Hauptmann, der wie ein Löwe focht, soll dabei 11 Braunschweiger mit seinem Schwert erschlagen haben. Christian ließ darauf seine Truppen zurückziehen und es wurde nur noch die Stadt beschossen.

Am 11. April 1622 versuchten die Braunschweiger nochmals mit einer List anzugreifen. Nachdem sie im nahe gelegenen Prövenholz und Taubental eine große Anzahl Reisigbündel vorbereitet hatten, sowie von Lippstadt weitere Artillerie heran geholt hatten, begannen sie zunächst das Steintor zu beschießen. Als sich dort der Großteil der Geseker Verteidiger gesammelt hatte, setzte sich plötzlich von Westen her starkes Geschützfeuer ein und die auf der Westernschledde stehenden Kartaunen hatten beim Vorrücken schnell in den Mauerabschnitt, zwischen dem Lüdischen Tor und dem Viehtor, das durch einen davor liegenden Sumpf geschützt war, eine Bresche geschossen. Rasch war der Sumpf mit Reisigbündeln bis zur Bresche aufgefüllt. Im zähen Nahkampf, Mann gegen Mann, wurden die Braunschweiger zurück gedrängt. Schmerzensschreie und Flüche begleiteten die Flucht. Auch dieser Angriff scheiterte, doch nicht genug damit, denn man öffnete das Lüdische Tor und man machte einen „Ausfall“. Der Feind wurde auf der Flucht noch in die Zange genommen, und er floh in alle Richtungen auseinander. Othmar von Erwitte mit seinen Getreuen verfolgte das Pack bis zur Störmeder Schledde und keinem der Fliehenden wurde Pardon gegeben. Christian ließ Othmar von Erwitte um einen Waffenstillstand zur Beerdigung der Toten bitten.

Inzwischen war Anholt zum Einsatz nach Geseke aufgebrochen.

Christian wird in seinem Tobsuchtsanfall einiges Weibsvolk und Marketenderinnen unterbrochen. Auf einem großen Teller wird ihm ein komplette Gänsebraten serviert.

Die Geseker Fahne auf dem Turm des Steintores in den Farben Rot-Weiß-Blau, weht müde im Wind. Etwas westwärts, oberhalb der Schäfergasse, steht der „Schwarze Jörkel“ Turm (schwarz, weil die Bruchsteinen des Mauerwerks bereits schwarze Pilzsporen angesetzt haben). Auf ihm weht die Schützenfahne in den Farben Schwarz-Weiß-Grün (…eher Rot-Weiß-Blau…), die auch schon bessere Zeiten gesehen hat. Sie ist zerschossen und eingerissen, aber sie steht.

Elf entschlossene, kernige, junge Männer, denen Tatkraft und Entschlossenheit in den Gesichtern steht, kommen aus den Bauernschaften und Huden: Stalpe, Holthausen, Isloh, Elsinghausen, Stockheim, Wietheim, Heringhausen, Hüstede, Volmede, Ebbinghausen und Passinghausen. Ihre Bauernhöfe mussten sie verlassen und wurden von Chrsitians Schergen gebranntschatzt. Nun halten sie im Wechsel Wachdienst auf den Mauerzinnen, um sofort jeden Angriff mit ihren Musketen und 6-Pfünder-Kartaunen zu parieren.

Ebenso war die Schützenbruder-Gesellschaft St. Sebastian als Bürgerwehr ausgebildet und hatten in ihren 4 Hofen, Nordhofe, Osthofe, Westhofe und Mittelhofe, für Sicherheit und Befestigung der Verteidigungsanlagen zu sorgen. Sie kontrollierten Mauern, Tore, Türme, Gräben, Wälle und Schanzen. Stolz tragen sie ihre weiße Feldbinde am linken Arm, als äußeres Zeichen ihrer Kampfbereitschaft. Zur Verteidigung stehen ihnen etwa zweidutzend kleine Kartaunen, die Kugeln im Gewicht von 6 Pfund verschießen, zur Verfügung. Schwarzpulver für die Treibladung und Zündkraut, sowie eine gute Anzahl Kugeln stehen geschützt bereit. Sie alle haben ein sicheres Gefühl, denn in ihren Verteidigungsbemühungen werden sie unterstützt durch die kampferprobten Soldaten des Oberleutnants Othmar von Erwitte.

 

Jakob Schmoikappel aus der Bauernschaft Stockheim hat zur besseren Weitsicht die flache Hand an die Stirn  gelegt und traut seinen Augen nicht, was er im „Hahnenfeder“-Lager sieht. (Die Söldner Christians wurden mit ihren langen Federn an den Schlapphüten so beschimpft). Auf einem riesigen Findling wird dem „Dullen“ (in Geseker Platt „der Tolle“) von einigen Marketenderinnen ein dicker Gänsebraten serviert. Er nimmt seinen Schlapphut ab und streicht den weißen Damenhandschuh unter dem Hutband glatt. Er ist der Handschuh seiner verheirateten geliebten, der späteren Königin von Böhmen. Im Hintergrund stehen einige lustlose Musikanten, die auf der Fidel zupfen, Trömmelchen schlagen und piepsige Flötentöne aus einem Rohr zu zaubern versuchen. Dem Hornbläser will kein Ton gelingen. 

Schmoikappel informiert seine Kameraden und man beratschlagt, was zu tun sei. Es nutzt nichts, der beste Schütze und letztjährige Schützenkönig Fähnrich Alhardt Brandt, wird herbei gerufen. „Seiht do diän Dullen, hei gönnt sik en guden Schluck un en fetten Gausebrohen, un schick sik an teo friäten.“ „O – wachte man, dat soll däi bolle vergohn, diu Lumpenhund, wäi liefert nau en bittken Piäper für diän Brohen.“
Fähnrich Allhardt Brandt legt sich seine 6-Pfünder-Kartaune zwischen den Mauerzinnen zurecht und nimmt Maß. „Gif mäi die duwwelte Ladunge Schwattpulver, un niu de Kugel drupp, un niu gut proffen un stampen. Dat Zündkriut nit verschiäten!“ Dem Alhard wird die brennende, stinkende Lunte gereicht. Er zielt kurz aber genau und knallt drupp. „PUFF-BAUTZ!“ „Dei Dulle springet in de Höchte un is dürnein. Wat is loss, wat is loss räp hei all?“ Im Pulverdampf liegt der schöne Gänsebraten, runner van’n Dullendisk upp’n Grunne innen Dreck, dank des Kunstschusses von Alhardt Brandt.

Aus war’s mit dem Festtagsbraten, den Musikanten und den verlaufenen Frauleuten, die kaum bekleidet waren. Christian springt hin und her, auf und ab und knuwwelt die Faust in Richtung schwarzer Jörkel, wo sich der Pulverdampf der Doppellladung langsam verzieht. Wild fuchtelnd schreit der Tolle: „Mit düsen Volk is nit te spassen, man wek van hei mit Hassebassen.“ In der Folge schimpft er so laut , dass halb Geseke zum Steintor rennt um zu sehen was passiert ist. 

Da nach einer Woche Belagerung immer noch nichts in Geseke zu holen war, und nun auch noch dieser fast tödliche Schuss, sprang er schnell in seine Stiefel und auf den nächstbesten Gaul, denn wo man ihm Braten unter der Gabel wegschießt, könnte womöglich auch noch etwas anderes getroffen werden. „Kallewitt, Kallewitt reitet er in die untergehende Sonne davon, über Störmede nach Lippstadt. Seine Söldner folgten ihm, teils zu Fuß, teils auf Pferden mit prall gefüllten Satteltasche, Wagen und Karren mit eisernern beschlagenen Kisten voller Raubgut. Reiter haben an den Sattelknöpfen Gänse, Enten und Hühner. Aus einigen abrückenden Wagen schaut das liderliche Weibsvolk. Die drei großen 24-Pfünder-Kartaunen werden von Pferden gezogen, nach Salzkotten abtransportiert. 

Die Großen und die Kinder auf der Umwallung rufen: „Vivat, vivat Geseke“, und machen dem Tollen eine lange Nase. Die Fahnen der Stadt Geseke und die Fahnen der Schützenbrüder St. Sebastian werden geschwungen, dazu läuten alle Kirchenglocken. 

Die wackeren Schützen vom Westtor rufen den Abrückenden ein dreifach „Horrido-Juchho“ und die Schützen vom Osttor ein dreifach „Ostolü“ und die Schützen vom Mühlentor und vom Viehtor ein dreifach kräftiges „Schütt hoch“ hinterher. 

Die zerfledderte Geseker Fahne in den Farben Rot-Weiß-Blau wird noch bis in den Abend geschwenkt. 

Eine sehr schöne Geschichte, wenn nicht gar Sage, die auch immer wieder gerne und nicht nur den Kindern erzählt wird. Schande über den, der den glorreichen, tapferen Geseker Bürgern des 30-Jährigen-Krieges, diesen Husarenritt nicht gönnt, anzweifelt oder gar absprechen will.

Nachsatz
Als am 12. April des Jahres 1622 die Sonne strahlend im Osten empor stieg, sehen Wachposten auf Mauern und Türmen, dass das feindliche Lager verschwunden, der Feind abgezogen ist. Der Spuk hat ein Ende. Die Stadt ist gerettet. Ungeheurer Jubel geht in feierlichem Geläut aller Kirchen unter.
Bei Dr. Lappe heißt es weiter, dass Geseke Ende 1622 eine „neue Phanen von roden-weißen und blauen taft“ bekam. Es muss noch geklärt werden, von welchem Turm der „schuss in den Braten“ abgegeben wurde. „Schwarzer Jörkel“ oder rechts vom Steintor der „Gausebröeken Turm“ (Verniedlichung von Gänsebraten).