Die Schützen während…

…der Weimarer Republik

von Hans Peter Busch

 

Das Vereinsleben hatte während des Weltkrieges vollständig geruht. Es dauerte auch nach dem Waffenstillstand noch lange, bis sich eine Normalisierung des Lebens einstellte. Trotzdem beschloss der Vorstand am 24. Februar 1919, einen Schützenfilm vom Jubiläumsfest 1913 anzukaufen. Da dem Verein aber die Mittel fehlten, stiftete der Oberst Thoholte ein Drittel der Gesamtkaufsumme und streckte auch die restlichen 200 Mark vor.

 

An die Feier des Schützenfestes war vorläufig nicht zu denken. Erst ein Jahr später tauchten Überlegungen über die Wiederaufnahme der Festfeier auf. Zunächst beschloss aber der Vorstand, „wegen der schlechten Zeitverhältnisse“ erst Ende April über die Abhaltung des Festes zu befinden.

 

In der Vorstandssitzung am 26. April einigte man sich darauf, das Schützenfest zu feiern. Art und Weise des Festes wollte man aber erst später festlegen. Eine Woche darauf traf man sich erneut, um das Problem zu erörtern. Dazu lag der Versammlung der schriftliche Antrag des Auditeurs der Gesellschaft, Gerichtsrat Leinemann, vor. Der Antrag trägt das Datum des gleichen Tages und versucht, den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Mitglieder gerecht zu werden und gleichzeitig die Feier zu ermöglichen. Dazu machte Leinemann folgende Vorschläge:

 

1. Der Ausschank von Wein solle untersagt werden, da er für minderbemittelte Schützenbrüder unerschwinglich sei. Wörtlich fährt er fort:

„Da diese zum Teil genötigt sind, standesgemäß aufzutreten, so wird dieser Teil der Schützenbrüder entweder zum Fernbleiben vom Fest oder zu verschwenderischen Ausgaben gezwungen. Echter Frohsinn wird nicht durch Alkoholgenuss bedingt.“ 

Als zweiten Punkt schlägt Leinemann vor, das Schützenfest auf zwei Tage einzuschränken. Als Grund werden die hohen Preise angegeben.

Drittens soll dem Königspaar das „Spendieren“ auf dem Schützenplatz untersagt werden. Die Königin wählt vier Hofdamen, letztere wählen sich je einen Hofherren, der die Ausgaben der Hofdamen zu bestreiten hat. Als Begründung führt er an:

 

„Das Spendieren des Königspaares in der bisher üblichen Weise und das bisher übliche Verfahren bei der Wahl des Hofstaates sind nicht mehr zeitgemäß und entschieden verbesserungsbedürftig.“

 

Diesen Vorstellungen folgte der Vorstand zum überwiegenden Teil, indem er festlegte, dass das Schützenfest auf zwei Tage begrenzt werden soll und die Höchstzahl der Hofdamen auf zehn festgesetzt wurde. Ihnen sollte eine gleiche Anzahl Hofherren zur Verpflegung der Damen beigegeben werden, wobei dem Königspaar untersagt wurde, Getränke für die Hofdamen und Herren zu bezahlen.

 

Bemerkenswert ist, dass diese Bestimmungen der Masse der Schützenbrüder nicht bekannt waren, da der König des Jahres 1920 in späteren Jahren die unrühmliche Bezeichnung „Brausekönig“ erhielt, um anzudeuten, dass dieser König nur Limonade ausgegeben habe.

 

Die Bestimmung, dass die Hofdamen sich Hofherren wählen konnten, zeigt, dass dieser Vorgang bisher nicht üblich war.

 

In den folgenden Jahren muss diese Bestimmung auch nicht weiter befolgt worden sein, da in den frühen dreißiger Jahren das Offizierkorps der Gesellschaft um einen zweiten Adjutanten vermehrt wurde, dem es als Königsadjutant besonders oblag, den allein mit dem Königspaar auf dem Thron „residierenden“ Hofdamen genügend Tänzer zu beschaffen.

 

Die Regelungen, die vom Vorstand getroffen worden waren, reichten einigen Schützen offenbar nicht aus. Am 17. Mai stellt Ernst Beinert, selbst Leutnant, den Antrag an den Vorstand, das Schützenfest wegen der zu erwartenden hohen Kosten ausfallen zu lassen. Dem Antrag wurde nicht gefolgt.

 

Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation trug allerdings bei, dass am 18. Juli der Fußboden gegen eine Erstattung in Höhe von 500 Mark an den Nachbarverein in Ehringhausen als Tanzboden ausgeliehen werden konnte. Im darauffolgenden Jahr wurde die sich bessernde wirtschaftliche Lage Gesekes dadurch deutlich, dass zum Schützenfest über 100 neue Schützen in den Verein aufgenommen werden, wie das Protokoll anlässlich des Schützenfestes ausweist.

 

In den folgenden Jahren bedingte die Erhöhung der Mitgliederzahlen, verbunden mit verschärften Sicherheitsanforderungen an den Schießbetrieb beim Vogelschießen, einen umfangreichen Umbau auf dem Schützenplatz.

 

1924 wurde beschlossen, die Vogelstange, auf der der Holzadler für das Königsschießen befestigt wird, aus der unmittelbaren Nähe der Halle zu entfernen und auf dem Gelände hinter dem Gebäude neu zu errichten. Die vielen neuerbauten Wohnungen in der Umgebung des Schützenplatzes, im Anschluss an die Entwicklung der Zementindustrie errichtet, wären durch einen unverändert durchgeführten Schießbetrieb stark gefährdet gewesen. Außerdem sprach sich der Vorstand für eine Vergrößerung des Tanzzeltes aus, da mehr Mitglieder vorhanden waren, als das bisherige Zelt zu fassen vermochte. Die Hebeliste für 1925 weist einen Mitgliederstand von 593 Schützen auf.

 

Der erhöhte Mitgliederstand führte auch zu einer Änderung der Einteilung der Schützen bei den Festmärschen. 1926 wird eine dritte Kompanie aufgestellt und die Schützen nach den verschiedenen Stadtbezirken den einzelnen Kompanien zugeteilt. Auf Vorschlag des Auditeurs Leinemann wurden die Kompanien nach den frühneuzeitlichen Stadtbezirken West-, Ost- und Nordhofe genannt.

 

Schon 1921 war die Anzahl der Leutnants auf 10 pro Kompanie erhöht worden. Die Vorschläge zur Erweiterung der Schützenhalle wurden in den Jahren 1927 und 1928 verwirklicht. Dazu musste der Verein eine Hypothek von 5000 Goldmark auf das Grundstück der Schützengesellschaft aufnehmen.

Die Hallenerweiterung wurde zu einem großzügigen Umbau; es erstand „eine neue dreischiffige Halle, die mit ihren Ausmaßen (43 m breit, davon jedes Seitenschiff 5,10 m breit) damals nach der Westfalenhalle in Dortmund als die größte Halle des östlichen Teils des Regierungsbezirkes Arnsberg galt.“

Der Oberst Thoholte ging in seiner Ansprache anlässlich der Übergabe des Baus auf die Entstehungsgeschichte ein. Er erläuterte, dass der alte Bau zu klein gewesen sei, so dass viele Familien das Fest verlassen mussten, da kein Platz vorhanden war. Die auch angekündigte Aufstellung zweier Heiligenfiguren (Cyriakus als Stadtpatron und Michael) in zwei dafür vorgesehene Nischen unterblieb.

Die Finanzierung des Neubaus bereitete dem Verein große Schwierigkeiten. Trotz eines Basars am 5. und 9. Mai 1929 und der Herausgabe von Anteilscheinen anlässlich des Baubeginns sowie der schon erwähnten Aufnahme einer Hypothek hatte der Verein 1933 Schulden in Höhe von 40.000 Reichsmark. Gleichzeitig war die Zahl der Mitglieder, die den Beitrag entrichteten, von 479 im Jahr 1929 kontinuierlich bis auf 347 im Jahr 1932 zurückgegangen.

 

Die eigentlich geplante Auslösung der Anteilscheine wurde vom Verein immer wieder hinausgezögert, obwohl eine Reihe von Anfragen aus Auslösung vorlag. Im Jahr 1930 musste ein elektrisches Klavier in der Schützenhalle gepfändet werden. Trotzdem verfolgte der Verein weitere Pläne. Mit dem Datum vom 26. Januar 1931 war der Bauplan für eine Schießsportanlage in Verlängerung der Herrentoilette an der nördlichen Seite des Geländes erstellt und mit detaillierten Zeichnungen für Geschossbahnen und Schutzwälle versehen worden. In die Zeit der Spätphase der Weimarer Republik fällt auch eine weitere Aktivität der Schützengesellschaft, die kurz geschildert werden soll.

 

Die feststehenden Gebräuche und Regelungen während des Schützenfestes waren in den erstmals 1903 vorgelegten gedruckten Satzungen nur insoweit berücksichtigt, als dass sie Bestandteil einzelner Satzungsbestimmungen waren. Deshalb sah sich der Schützenvorstand veranlasst, die Satzungen in einem Neudruck herauszugeben und mit einem umfangreichen Ergänzungsteil zu versehen.

 

„Der Druck der Statuten in dem Wortlaut, wie sie vom Landrat in Lippstadt 1859 bestätigt und 1900 dem Amtsgerichte Geseke bei Anmeldung des Vereins zur Eintragung in das Vereinsregister  vorgelegt sind, erschien angebracht, weil sie in dem Wortlaut nur wenigen Schützenbrüdern bekannt waren. Die 1903 gedruckten Satzungen stellten nur einen Auszug aus diesen Statuten dar. Die Auflage war seit mehreren Jahren vergriffen. Die wenigen Änderungen seit 1859 sind in dem Anhang angeführt. Im Jahr 1930 wurde angeregt, den Hergang des Festes, Einrichtungen und Gebräuche usw. schriftlich niederzulegen. Es fanden längere Beratungen statt. Das Ergebnis dieser Beratungen ist als Ergänzungen im Anhang wiedergegeben.

 

In den Ergänzungen werden die Funktionen der Vorstandsmitglieder insbesondere beim Schützenfest beschrieben. Die militärischen Ränge werden erläutert und die entsprechenden Uniformausstattungen aufgeführt. Außerdem wird der Festverlauf beschrieben.

 

Festzuhalten bleibt, dass sich die Uniformierung bis heute nicht geändert hat, sieht man von den Adjutanten ab, die als Abzeichen ihrer Funktion seit Mitte der fünfziger Jahre Fangschnüre tragen. Zuvor trugen Sie im Gegensatz zu den anderen Offizieren die Schärpe über der linken statt über der rechten Schulter.