Die Schützen im Nationalsozialismus…

…und in der Kriegszeit

von Hans Peter Busch

 

Noch gravierender war die Zwangseingliederung, von der die Gesellschaft, wie viele andere Vereine auch, betroffen war. Hatte der Verein bislang keinem Dachverband angehört, so musste die Mitgliederversammlung am 2. April 1934 beschließen, dem Schützenbund für das kurkölnische Sauerland und dem Lippstädter Kreisschützenbund beizutreten. Sie wurde zu diesem Schritt genötigt, da im Falle des Nichteintrittes die Durchführung des Schützenfestes gefährdet war.

 

Der Beauftragte des Reichssportführers für den Bezirk Arnsberg verlangte in einem Schreiben die Auflistung sämtlicher Schützenvereine des Kreises Lippstadt und fragte u. a. an, ob die Vereine dem Deutschen Schießsportverband oder dem Deutschen Schützenbund angeschlossen sind. Er machte deutlich, dass Vereine, die nicht Mitglieder der oben angegebenen Verbände waren, keinen Schießsport und somit auch kein Vogelschießen durchführen dürften.

 

Einen Ausweg aus der Lage des angekündigten Verbotes sah man in der oben erwähnten Eingliederung in den Schützenbund für das kurkölnische Sauerland. Dieser war 1928 gegründet worden und lehnte sich in seiner Zielsetzung (Heimatpflege, Vaterlandsliebe, wahre Volksgemeinschaft usw.) stark an den Westfälischen Heimatbund an und war somit weniger von einem Verbot betroffen als der andere Dachverband der Schützen in Westfalen, der Erzbruderschaft vom Heiligen Sebastian, die als kirchlich gebundene Vereinigung 1936 aufgelöst wurde.

Außerdem hatte der Bund das Führerprinzip eingeführt und wurde von einem Bundesoberst mit einem Führerrat geleitet. Die Kreisschützenbünde organisierten sich unter einem Kreisschützenbundführer, im Kreis Lippstadt nacheinander die Landräte Dr. Flottmann und Simon, mit jeweiligem Führerrat. Der Bund übernahm auch die einheitliche Beschaffung von Hakenkreuzwimpeln für die Fahnen der Schützenvereine.

Gleichzeitig mit dem Beitritt zum Schützenbund für das kurkölnische Sauerland musste der Verein eine neue Satzung einführen. Ganz im Sinne des Führerprinzips wird der Vereinsführer vom Kreisschützenbundführer ernannt. Der Vereinsführer wiederum ernennt die Mitglieder des Beirates und die Offiziere. Als Zweck des Vereins galten von da an die Erziehung zur Volksgemeinschaft und zur Wehrhaftigkeit aufgrund der nationalsozialistischen Volks- und Staatsauffassung und die Schulung im Schießsport, „daneben blieben die alten Aufgaben berücksichtigt: Pflege der Eintracht und des Bürgersinnes, des Schützenbruderschaftsgedankens und der christlichen Nächstenliebe, die Veranstaltung von Schützenfesten und die Wahrung der alten Schützenbräuche.“ Unter diesen Voraussetzungen konnte die Gesellschaft im Rahmen des Schützenfestes 1936 einen Aufmarsch des Kreisschützenbundes veranstalten, der von 48 Vereinen besucht wurde.

Doch konnte der Verein der Eingliederung in eine von der Partei geschaffenen Organisationen nicht entgehen und musste dem Deutschen Schützenverband, der dem Deutschen Reichsverband für Leibesübungen angegliedert war, beitreten. Gleichzeitig wurde der Schützenbund für das kurkölnische Sauerland aufgelöst. Die Satzung des Deutschen Schützenbundes wurde am 24. April 1937 angenommen und der Verein offiziell mit einem Schreiben vom 31. August 1937 aufgenommen.

Gleichzeitig wurde Kreisschützenbundführer Landrat Simon mitgeteilt, dass ein Schießwart als Manifestation des Wehrsportgedankens eingesetzt wurde. Eine nochmalige Satzungsänderung erfolgte 1941, als auf der Mitgliederversammlung am 27. 0ktober die Einheitssatzung des Nationalsozialistischen Reichsverbandes für Leibesübungen angenommen wurde. 

 

Die veränderte Zielsetzung der Schützenvereine im Dritten Reich kommt besonders gut in einer Rede zum Ausdruck, die der Kreisschützenbundführer Dr. Flottmann anlässlich des ersten Aufmarsches des Kreisschützenbundes in Erwitte hielt und die als paraphrasierende Wiedergabe erhalten ist. Unter anderem führt Flottmann aus:

 

„… Das Streben nach körperlicher Ertüchtigung, nach Gewandtheit im Umgang mit der Waffe, dem unverkennbaren Attribut des wehrhaften Mannes, sei mehr und mehr in den Hintergrund getreten. Man habe sich auf gesellige Feiern beschränkt. Das Schützenfest, einst ein Kampftag und eine Feier zur Ehre des wirklich Besten, sei zu einem reinen Amüsement geworden. Es könne keinem Zweifel unterliegen, dass diese Tatsache eine Entartung des Schützengedankens darstellte. …

Die Schützenvereine sollten sich aber nicht mehr darin erschöpfen, einmal im Jahr ein feuchtfröhliches Fest zu feiern, sondern sich wieder ihrer Verpflichtung gegenüber Volk und Vaterland bewusst werden und von dem Geist alter deutscher Wehrhaftigkeit erfüllte Männer erziehen. Das bedeute, dass sie den Schießsport wieder regelrecht und systematisch betreiben müssen. Mit dieser Forderung sei es der Regierung heiliger Ernst. Vereine, die sich ihr nicht fügten, hätten im neuen Deutschland keine Existenzberechtigung mehr; sie dürften sich nicht mehr Schützenverein nennen und hätten das Recht verwirkt, auf Scheibe und Vogel zu schießen. In Westfalen seien schon über 20 Vereine aus diesem Grund der Auflösung verfallen. …“  

 

In der Geseker Schützengesellschaft lässt sich die Zielsetzung des Wehrsportes, im Gegensatz zu fast allen anderen Intentionen des Vereins, auch nach Beginn des Krieges weiter verfolgen. Noch im Jahr 1944 wird die Schützengesellschaft mit dem Kleinkaliberschützenverein zusammengelegt, wie aus einem Redemanuskript des Vereinsführers Kurze zu entnehmen ist. Weitere Nachrichten über diese Zusammenlegung und über ein entwickeltes Vereinsleben sind allerdings nicht bekannt. Von einer völligen Konformität der Gesellschaft mit den Zielen der NSDAP kann aber dennoch nicht gesprochen werden.  

 

Die Verbundenheit mit der katholischen Kirche kam in den Jahren vor dem Krieg nicht nur dadurch zum Ausdruck, dass der Gottesdienst zu Beginn des Schützenfestes weiter gehalten wurde, obwohl er im offiziellen Programm nicht mehr auftauchte, sondern auch in der Begleitung der Fronleichnamsprozession durch Schützen in Uniform im Jahr 1938 zeigte sich, dass viele Mitglieder noch die Zivilcourage aufbrachten, gegen die herrschende Meinung und vor allem gegen bestehende Bestimmungen des Dachverbandes vorzugehen. (siehe auch Nachtrag unten!)

 

Die Fronleichnamsprozession wurde von Schützen begleitet, die aufgrund ihrer Stellung und ihres Berufes dem Regime gegenüber eine gewisse Unabhängigkeit hatten. Alle Teilnehmer sollten nach der Prozession verhaftet werden, was nur in letzter Minute verhindert worden sei. Der Oberst, offiziell Vereinsführer, wurde nach dem Vorfall durch die Gestapo verhört, kam aber schnell wieder frei. Dieses Ereignis in Geseke nahm der Kreisschützenbundführer in seiner Eigenschaft als Landrat zum Anlass, in einer Verfügung auf die neue Bedeutung der Schützenvereine in scharfer Form zu verweisen: „Wie mir gemeldet, hat bei der Fronleichnamsprozession in Geseke eine Abordnung des Schützenvereins in Schützenuniform teilgenommen. Ich weise darauf hin, dass die Schützenvereine im Deutschen Schützenverband eingegliedert sind und sich von allen kirchlichen Veranstaltungen in geschlossener Formation fernzuhalten haben. Falls ich feststelle, dass ein Schützenverein in Zukunft es wagen sollte, sich in irgend einer Form geschlossen kirchlich zu beteiligen, werde ich die Auflösung des Schützenvereins durch die geheime Staatspolizei und den Gauführer des Deutschen Schützenverbandes beantragen. Ich bitte die Bürgermeister, den einzelnen Vereinsführern Abschrift von dieser Verfügung zugehen zu lassen.“  

 

Wie schon im ersten Weltkrieg wurde die Schützenhalle in das Kriegsgeschehen einbezogen. Am 6. April 1944 teilte das Rüstungskommando Dortmund des Reichsministeriums für Rüstung und Kriegsproduktion dem Schützenverein mit, dass die Schützenhalle für dringliche Fertigungszwecke vorgesehen sei und die Halle bis zum 11. Mai des Jahres entsprechend vorbereitet sein müsse. Zunächst war die Lagerung von Korn vorgesehen. Aufgrund einer Verfügung des Reichsministeriums wurde dann aber im Juli 1944 die Halle an die Kabel- und Drahtwerke AG, Vohwinkel vermietet. Dieses Werk stellte dort den Verlagerungsmaschinenpark auf und brachte die für die Fabrikation erforderlichen Arbeitskräfte auf dem Gelände unter. Zuerst wurde nur der Platz bis zur ersten Baumreihe, dann die ganze Fläche aufgrund brieflicher Vereinbarung vom 8. März 1945 abgetreten. Das Gelände wurde dann auch erst 1955 wieder geräumt.  

 

Nachtrag

…Zum Schützenfest 1938 waren die Schützenbrüder cleverer. Nachdem sich das Bataillon auf dem Marktplatz zum Kirchgang versammelt hatte, läutete die Glocke St. Petri nur einmal. Alle Schützenbrüder verließen darauf hin den Markt und tauschten ihre Uniform zu Hause gegen Zivilkleidung für den Besuch der Messe. Danach ging jeder in seiner Facon zur „Frühmesse“. Es ist überliefert, das Bürger und Bürgerrinnen, die im Regelfall nicht an der Schützenmesse teilnehmen, in die Kirche geströmt sind, bzw. vor den drei geöffneten Portalen der Stadtkirche gekniet haben um den Vater, Sohn, Ehemann oder sonstigen Verwandten oder Bekannten vor den Blicken der Gestapo zu bewahren….

(Einsendung Franz-Josef Lange)

 

 

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