Dann halt 2021: Kreisoberst Franz Westermann hofft noch auf die Austragung des Kreisfestes im nächsten September.

Kreisoberst Franz Westermann

Die Saison ist vorbei. Welche Saison? Die Schützen – ebenso die Musiker und Festwirte – sind 2020 Corona-bedingt völlig leer ausgegangen. Und auch im kommenden Jahr steht das Schützenwesen unter keinem guten Stern. So schnell wird der Impfstoff voraussichtlich nicht alle Bevölkerungsgruppen erreichen, dass ab April 2021 Wochenende für Wochenende Hochfest um Hochfest gefeiert wird. Wie der heimische Schützenbund mit dieser frustrierenden Situation umgeht, verrät Kreisoberst Franz Westermann aus Langeneicke im Interview.

Lockdown statt Winterball: Wie ist die Stimmung aktuell in den Vereinen?

So langsam kippt die Stimmung. Die Leute werden ungeduldig, weil sie nicht wissen, wie es weitergeht. Die Aussichten sind trotz Impfstoff aktuell nicht so gut. Ich habe deshalb das Gefühl, dass die Unzufriedenheit wächst, je mehr Zeit ins Land zieht. In den Gesprächen mit den Schützen merkt man zudem, dass einfach etwas fehlt: die Begegnung und der Austausch mit den Menschen.

Man hört, dass erste Vereine aufgrund der fehlenden Planungssicherheit bereits Überlegungen anstellen, ihr Schützenfest 2021 frühzeitig abzusagen. Sind Sie darüber informiert?

Direkte Absagen sind meines Wissens noch nicht getroffen worden. Ich weiß aber, dass in einigen Vorständen schon offen darüber diskutiert wird. Die Zeit drängt ja auch allmählich. Für ein Fest im Mai müssten erste Überlegungen und Planungen jetzt langsam anlaufen.

Was empfiehlt der Kreisschützenbund den Vereinen? Abwarten und Tee trinken oder frühzeitig handeln?

Agieren ist immer wichtig. Es macht Sinn, alle Beteiligten frühzeitig an den Tisch zu holen und über die Situation zu diskutieren. Wirte und Musik müssen schließlich auch planen. Im Moment würde ich von einer Absage aber noch abraten. Es gäbe dann einfach keine Rechtssicherheit. Eine Absage ist einfacher, wenn es eine gültige Corona-Schutzverordnung gibt, die Großveranstaltungen verbietet. Die gibt es aber derzeit für das kommende Frühjahr noch nicht.

Nehmen wir mal an, die Verordnung kommt früh im Jahr und wird Mitte April urplötzlich wieder aufgehoben, weil Deutschland impft und impft. Was machen die Vereine, die bereits abgesagt haben, dann?

Wie ich die Schützen kenne, würde der eine oder andere Verein sein Fest dann auch in 14 Tagen auf die Beine stellen. Aber wir wollen nicht zu viel fantasieren: Nach einem solchen Szenario sieht es leider derzeit nicht aus.

Sie stehen sicherlich auch in Kontakt mit Musikern und Festwirten. Wie gehen die mit der Situation um? Planen die noch mit 2021 oder sind die gedanklich schon im Jahr 2022?

Die sind natürlich auf die Schützenvereine angewiesen. Ehrlich gesagt hört man von einigen Festwirten und Kapellen schon, dass sie eher von 2022 ausgehen.

Was ist mit Königspaaren und Hofstaaten? Sollten sich die schon mal auf eine dreijährige Amtszeit einstellen?

Erst mal möchte ich allen Regenten und Hofstaaten, die in diesem Jahr ganz unkompliziert ihre Bereitschaft ausgesprochen haben, ihre Amtszeit zu verlängern, meinen Respekt aussprechen. Ich habe nicht von einem Verein gehört, in dem es Schwierigkeiten gab. Ich würde mir wünschen, dass das so bleibt, wenn es 2021 mit den Absagen weitergeht. Ich könnte mir aber vorstellen, dass es schwieriger wird. Die Lebensplanung sieht vielleicht auch mal was anderes vor, als drei Jahre vieles dem Schützenwesen unterzuordnen.

Kommen wir zur finanziellen Situation: Sind die Kassen der Schützen- und Musikvereine prall gefüllt, weil Mitgliedsbeiträge fließen und keine Ausgaben entstehen oder leer, weil keine Einnahmen erzielt werden?

Finanziell wird das für den Großteil der Vereine im Altkreis Lippstadt nicht so schlimm sein, auch wenn es kaum Neuaufnahmen von Mitgliedern gibt. Schwierig wird es für die wenigen Vereine, die Einnahmen aus der Vermietung von Hallen oder Zelten benötigen, weil sie Unterhaltungskosten haben und vielleicht auch Raten zahlen müssen. Heftig trifft es die Musikvereine. Übungsleiter, Instrumente und Noten kosten Geld. Proben ohne Auftritt ist schwierig, wenn man nicht weiß, wofür und für wann man probt.

Schützenfest ist ein großer Wirtschaftsfaktor in der Region: Ist das mittlerweile existenzbedrohend für Festwirte, Bier-Lieferanten, Caterer oder Bands?

Für die ist das eine Katastrophe. Brauereien und Festwirte, mit denen ich gesprochen habe, sagen alle: Ein Jahr halten wir das durch. 2021 könnte das aber katastrophal enden, wenn wieder alles ausfällt. Ich gehe davon aus, dass es nach Corona nicht mehr so viele Festwirte und Schausteller geben wird, wie vorher.

Gesunde Finanzen sind wichtig, mindestens genauso wichtig ist für das Schützenwesen aber Brauchtum und vor allem das gesellschaftliche Miteinander. Stichwort: sozialer Kit auf dem Land. In dieser Woche erreichte uns eine Studie der Uni Paderborn, die die Corona-Folgen für die Schützenvereine aus kultureller Sicht beleuchtet. Die kulturelle Praxis sei in Lebensnerv und Wesenskern getroffen, heißt es. Glauben Sie, dass die Pandemie langfristige Schäden in den Vereinen anrichtet?

Es kommt darauf an, wie lange die Pandemie noch anhält. Hoffen will ich es nicht, aber ich kann mir schon vorstellen, dass mancher Verein Schaden erleidet, dass sich Mitglieder abwenden und sagen: Es ging ja letztes Jahr auch ohne. Der harte Kern wird aber bleiben – und die Bedeutung für das Zusammenleben auf dem Dorf auch. Vielleicht wird sie sogar noch zunehmen. Man schätzt Dinge erst, wenn man sie nicht mehr hat.

Die Krise kann laut Studie auch Katalysator und Quelle der Inspiration sein. Stichwort: Digitalisierung. Können Sie uns entsprechende positive Beispiele aus dem Kreisschützenbund nennen?

Quelle der Inspiration ist vielleicht übertrieben. Aber natürlich sucht man sich in diesen Zeiten andere Kommunikationswege. Die Kreisobersten im Sauerländer Schützenbund tagen etwa per Videokonferenz. Ähnliches höre ich auch aus den Vereinen. Manches kann so tatsächlich einfacher organisiert werden. Das persönliche Gespräch wird das aber nie ersetzen.

Sind die Vereine eigentlich handlungsfähig ohne ordentliche Mitgliederversammlungen?

Auch so etwas regeln die Covid-Verordnungen des Landes. Vorstände können bis zur Bestellung eines Nachfolgers im Amt bleiben. Versammlungen können Pandemie-bedingt verschoben oder digital abgehalten werden.

Gab es schon digitale Mitgliederversammlungen im Kreisschützenbund?

Nein, aber es ist gut, dass die Möglichkeit besteht.

Corona-Leugner und „Querdenker“ sind gerade schwer aktiv. Trägt der Schützenbund den Kurs der Regierung eigentlich vollends mit?

Die Einsicht ist auf jeden Fall da. Es gelingt nur mit diesen Maßnahmen, die Pandemie einzudämmen. Nur so können wir bald wieder unbeschwert feiern.

„Bald“ ist relativ. Wie lautet Ihre Prognose: Erleben wir 2021 im Altkreis Lippstadt ein Schützenfest? Und was ist mit dem Kreisfest in Bökenförde?

Ich bin Optimist und sage, dass wir in der zweiten Jahreshälfte 2021 einige Schützenfeste erleben werden. Und dann hoffe ich auf einen grandiosen Saisonabschluss in Bökenförde. Häufig werde ich übrigens gefragt, wie wir dann feiern.

Und was antworten Sie?

Mit besonderen Hygiene- und Sicherheitsvorkehrungen, die sich sicher auf die Preise auswirken werden. Die Frage ist dann auch: Fühlen sich die Leute sicher und kommen überhaupt? Aber auch diese Phase wird das Schützenwesen überstehen.